Herren des Wetens
war unnatürlich«, wiederholte sich Hettar und wirkte verwirrt. »Ich wartete darauf, daß das Tier in Panik ausbrechen würde, aber sein Geist blieb völlig ruhig. Ich weiß, was ein Pferd denkt, und das einzige, was es empfand, als Botschaft aufsaß, war Neugier.
Neugier! Es dachte und handelte nicht, wie es üblich gewesen wäre.«
Düster schüttelte er den Kopf, und die lange schwarze Locke, die ihn als einzige Haarzier schmückte, schwang wie zur Betonung hin und her. »Es war unnatürlich«, brummte er aufs neue, als fände er kein anderes Wort zur Beschreibung der Situation.
»Mir ist, als hättest du das schon mehrmals gesagt, Hettar«, stellte Polgara fest. »Warum wechseln wir nicht das Thema – da es dir offenbar so sehr zu schaffen macht –, und du erzählst mir von Adaras Baby?«
Hettars scharfgeschnittenes Gesicht leuchtete im Stolz des jungen Vaters auf. »Es ist ein Junge!«
»Das ist uns bekannt«, sagte Polgara trocken. »Wie groß war er bei der Geburt?«
»Oh…« Hettar blinzelte verdutzt. »Etwa so groß, würde ich sagen.« Er hielt die Hände ungefähr zwei Fuß auseinander.
»Hat sich denn niemand die Mühe gemacht, ihn zu messen?«
»Oh – vermutlich haben sie ihn gemessen. Meine Mutter und die anderen Damen taten alles mögliche, gleich nachdem er auf der Welt war.«
»Und auf wieviel würdest du sein Gewicht schätzen?«
»Er wog etwa soviel wie ein ausgewachsener Hase, würde ich sagen – ein größerer –, oder soviel wie einer dieser roten sendarischen Käselaibe.«
»Aha, also etwa zweiundzwanzig Zoll lang und acht Pfund
schwer – ist es das, was du sagen willst?« Polgara blickte ihn an.
»Ja, in etwa.«
»Warum hast du es dann nicht gesagt?«
Er starrte sie verblüfft an. »Ist das wirklich so wichtig?«
»Ja, Hettar, es ist wirklich so wichtig. Frauen interessiert so was.«
»Ich werde versuchen, mir das zu merken. Für mich war bloß wichtig, daß er die richtige Zahl Arme, Beine, Ohren, Nase und dergleichen hatte, und daß seine allererste Nahrung natürlich Stutenmilch war.«
»Ja, natürlich«, sagte sie beißend.
»Es ist wirklich wichtig, Polgara«, versicherte er ihr. »Das erste, was jeder Algarier zu trinken bekommen muß, ist Stutenmilch.«
»Dann wird er halb Pferd, nehme ich an.«
Er blinzelte. »Nein, natürlich nicht, aber es schafft eine Art Band.«
»Hast du die Stute für ihn gemolken? Oder hast du ihn hinaus-kriechen lassen, damit er sich selbst eine sucht?«
»Du bist heute abend sehr merkwürdig, Polgara.«
»Du kannst ja mein Alter dafür verantwortlich machen«, schlug sie bedrohlichen Tones vor.
Er entging Hettar nicht. »Nein, das möchte ich lieber nicht.«
»Eine weise Entscheidung«, murmelte Durnik.
Nun, da er ein Pferd hatte, kam Botschaft viel weiter herum. Die Ausdauer des jungen Hengstes war nicht zu übertreffen. Er konnte fast den ganzen Tag laufen, ohne zu ermüden. Da Botschaft noch ein Knabe und sein Gewicht nicht groß genug war, um eine spürbare Last für das Pferd zu bedeuten, rasten sie unbeschwert über die grasbewachsenen Hügel von Südalgarien und hinunter ins Aldurtal.
Der Junge stand jeden Morgen schon früh auf und aß ungeduldig sein Frühstück; denn er wußte, daß der Fuchshengst vorm Haus auf ihn wartete und sie gleich nach dem Frühstück durch das taufeuchte Gras galoppieren konnten, das in der goldenen Morgensonne in saftigem Grün glitzerte, und die langen Hänge der Hügel hoch, während die kühle, süße Morgenluft an ihnen vorbeirauschte. Polgara, die offenbar instinktiv spürte, weshalb beide das Bedürfnis hatten, sich auszutoben, duldete schweigend, daß Botschaft sein Essen hinunterschlang und dabei auf der Stuhlkante saß, damit er sofort, wenn sein Teller leer war, durch die Tür schießen konnte, hinein in den Tag, der vor ihm lag. Ihre Augen waren sanft, während sie ihn beobachtete, und ihr Lächeln verständnisvoll, wenn er sie bat, vom Tisch aufstehen zu dürfen.
An einem taufeuchten, sonnigen Spätsommermorgen, als das ho-he Gras golden und schwer mit reifen Samen war, trat Botschaft aus der Haustür und strich zärtlich über den gebeugten Hals seines war-tenden Freundes. Das Pferd zitterte vor Glück und tänzelte ungeduldig. Botschaft lachte, hielt sich an der Mähne fest und schwang sich mit geschmeidiger Bewegung auf den kräftigen, glänzenden Pferderücken. Das Tier rannte bereits, fast ehe der Junge richtig saß.
Sie galoppierten den langen Hügel hoch und hielten
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