Herren des Wetens
schmiegen. Als der Diener den Brief des arendischen Königs brachte – vornehm auf einem Silbertablett –, löste Garion fast widerwillig den Blick von seiner zierlichen Frau. Er brach das verschnörkelte Wachssiegel und öffnete das knisternde Pergament.
»Wer hat geschrieben, Garion?« fragte Ce'Nedra. Sie bürstete weiterhin das Haar und betrachtete ihr Spiegelbild mit verträumter Zufriedenheit.
»Korodullin«, antwortete er und fing zu lesen an.
An Seine Majestät König Belgarion von Riva, Kaiser des
Westens. Seid gegrüßt!
Wir hoffen von ganzem Herzen, daß Ihr und Eure
Königin Euch bester Gesundheit und Zufriedenheit er-
freut. Mit Freuden würden Wir Unserer Feder gestatten
zu beschreiben, welche Hochachtung und Zuneigung
Unsere Königin und Wir für Euch und Ihre Majestät
empfinden, doch in Arendien hat sich eine Krise erge-
ben, und da sie unmittelbar durch die Handlungen eini-
ger Eurer Freunde verursacht wurde, entschlossen Wir
Uns, Eure Hilfe zu erbitten.
Zu Unserem großen Leid erlag Unser teurer Freund
Baron von Vo Ebor den schrecklichen Wunden, welche
er sich auf dem Schlachtfeld von Thull Mardu zuzog.
Sein Dahinscheiden im Frühjahr hat Uns größeren
Kummer bereitet, als Wir in Worten auszudrücken ver-
mögen. Er war ein guter und getreuer Ritter. Sein Titel-
erbe, da er und die Baronin Nerina bedauerlicherweise
kinderlos blieben, ist ein entfernter Neffe, ein gewisser Sir Embrig, ein etwas ungestümer Ritter, so sehr am Titel und den Ländereien interessiert, fürchten Wir, daß er die Gefühle der zutiefst trauernden Baronin nicht achtet. Mit einer Unritterlichkeit, die sich für einen seiner edlen Geburt nicht geziemt, machte er sich sogleich nach Vo Ebor
auf, um sein Erbe anzutreten. Mit sich brachte er ver-
schiedene Ritter seiner Bekanntschaft, seine Busenfreun-
de und Saufkumpane. Kaum waren sie in Vo Ebor ange-
langt, gaben sie sich ungeziemenden Gelagen hin, und
als sie wohl alle betrunken waren, verlieh einer dieser
gefühllosen Ritter seiner Bewunderung für die soeben
erst verwitwetete Nerina Ausdruck. Ohne zu überlegen
oder an den unersetzlichen Verlust zu denken, den die
Lady erlitten hatte, versprach Sir Embrig seinem Sauf-
kumpan sogleich ihre Hand. Nun bestehen in Arendien
gewisse Gesetze, die Sir Embrig dieses Recht geben,
doch würde kein wahrer Ritter einer Anverwandten in
so großer Trauer seinen Willen so ungesittet aufzwin-
gen.
Diese Neuigkeit wurde alsbald Sir Mandorallen zuge-
tragen, dem mächtigen Baron von Vo Mandor, und die-
ser große und wahrlich ritterliche Mann schwang sich
sogleich auf sein Pferd. Ihr könnt Euch sicherlich vorstellen, was sich in Vo Ebor zutrug, da Euch Sir Mandoral-
lens Mut und Geschicklichkeit im Umgang mit Waffen
ebenso bekannt ist, wie seine Verehrung für die Baronin
Nerina. Sir Embrig und seine Kumpane versuchten sich
ihm in ihrer Unüberlegtheit in den Weg zu stellen, und
wie ich hörte, kam es zu einigen tödlichen und einer
größeren Zahl ernster Verwundungen. Euer Freund
brachte die Baronin in seine Burg in Vo Mandor, um für
ihren Schutz sorgen zu können. Sir Embrig, der sich –
bedauerlicherweise vielleicht – von seinen Verletzungen
erholen wird, hat Krieg zwischen Ebor und Mandor er-
klärt und zu diesem Zweck verschiedene Edle um sich
geschart. Andere eilen zu Sir Mandorallens Banner, und
so befindet sich Südwestarendien am Rande eines größe-
ren Krieges. Uns wurde berichtet, daß Lelldorin von
Wildantor, schon immer ein verwegener Gesell, eine
Truppe asturischer Bogenschützen zusammengestellt
hat und damit bereits gen Süden marschiert, um seinem
alten Waffengefährten beizustehen.
So sieht die Lage aus. Ihr müßt verstehen, daß Wir
Uns als Träger der arendischen Krone nur ungern ein-
mischen würden, da Wir dann richten müßten und das
Gesetz Uns zwänge, zugunsten von Sir Embrig zu ent-
scheiden.
Wir bitten Euch, König Belgarion, Euch nach Arendi-
en zu begeben und Euren Einfluß auf Eure früheren Ge-
fährten und teuren Freunde geltend zu machen, um sie
vom Rand des Abgrundes zurückzuholen, an dem sie
sich nun befinden. Nur Euer Einschreiten, fürchten Wir,
kann das drohende Unheil noch abwenden.
Voll Hoffnung und Freundschaft
Korodullin
Garion starrte hilflos auf den Brief. »Warum ich?« klagte er, ohne zu überlegen.
»Was schreibt er denn?« erkundigte sich Ce'Nedra. Sie legte die Bürste zur Seite und griff nach einem
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