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Herrengedeck

Herrengedeck

Titel: Herrengedeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Tamm
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Laune erreicht einen Tiefpunkt. Nehme mein Kopfkissen und presse es mir aufs Gesicht. Das werde ich so lange tun, bis ich mich nicht mehr rühre. Während so langsam die Atemluft knapp wird, muss ich allerdings an etwas denken, das Katja mir erzählt hat. Sie meinte, dass ein Daunenkissen nach zwei Jahren Gebrauch zu über 50 Prozent aus Milbenkot besteht. Bin also grade dabei, mich mit einem Sack Spinnenscheiße umzubringen.
    Entschließe mich spontan dazu, weiterzuleben. Gute Entscheidung. Fühle mich danach richtig gut. Na also!

11. Tag: Dienstag
    Morgens: Auf der Waage. Ich erinnere mich noch genau, wie es war, als ich vor ungefähr einem Jahr dreistellig wurde. Katja linste ungläubig auf die Anzeige der Waage und sagte: »Ich glaube, du gehörst zu den Leuten, deren Gewicht erst größer als ihr IQ werden muss, bis sie kapieren, dass es so nicht weitergehen kann.«
    Ich hab’s kapiert. Leider zu spät.
     
    Abends: Andy holt mich mit dem Wagen ab und verspricht mir, mich zur besten Location in Sachen Frauen-Kennenlernen zu bringen. Natürlich gehe ich davon aus, dass wir zu einem angesagten Lokal fahren oder meinetwegen zu einem In-Spa, wo wir dann an der Saftbar abhängen und mit den Trimm-dich-Mädchen flirten. Stattdessen halten wir nach zwanzig Minuten auf dem Parkplatz eines Vorstadtsupermarkts, der auf einer großen Leuchttafel damit wirbt, an sechs Tagen in der Woche bis zweiundzwanzig Uhr auf zu haben.
    »Und was machen wir hier? Gibt’s in dem Laden vielleicht eine Abteilung für Singlefrauen, irgendwo zwischen Milchprodukten und Tütensuppen?«

    »In jedem Supermarkt gibt es so eine Abteilung«, erklärt mir Andy sachlich. »Man muss nur die Augen aufmachen. Du weißt doch, Frauen, die um diese Uhrzeit shoppen gehen, wollen nichts zu essen, sondern einen Mann. Und den hoffen sie eben auch zwischen der Käsetheke und den Tupperdosen zu finden. Ich wünsche dir darum viel Erfolg bei der Jagd. Und denk dran: Die schönsten Hühner findest du vor der Truhe mit den Tiefkühlpizzen. Oder bei den Diät-Brotaufstrichen. Und das Regal mit den kalorienreduzierten Fruchtsäften ist auch eine gute Adresse.«
    »Kommst du denn nicht mit?«
    »Natürlich nicht. Ich will dir schließlich helfen und nicht Konkurrenz machen«, sagt Andy und lächelt dazu so selbstbewusst, dass ich ihn treten könnte.
    Fünf Minuten später schiebe ich einen Alibi-Einkaufswagen durch den fast vollkommen leeren Supermarkt. Und genau das ist der Fehler. Während ich mich nach geeigneten Kandidatinnen umsehe, wächst im Einkaufswagen wie von selbst ein Berg aus Junkfood: Tiefkühlpizza, Miraculi, Schlemmerfilet und Mikrowellen-Currywurst von Meica. Mein Nachholbedürfnis ist gewaltig. Nicht ein einziges dieser Produkte hätte noch vor drei Wochen den Weg in die Wohnung gefunden, weil Katja die Angewohnheit hatte, mir beim Einkaufen Vorträge zu halten, und zwar über Cholesterin, den BMI (Body Mass Index), Blutzucker und meine Chancen auf einen Darmtumor, noch bevor ich vierzig werde. Früher oder später hatte sie mich weichgekocht, und all die leckeren Sachen, die ich bis dahin ausgesucht hatte, wanderten ins Regal zurück, und ich folgte ihr mit hängenden Schultern in die Obst-und Gemüseabteilung.

    Diesmal bediene ich mich also hemmungslos bei den neuesten Erfindungen der Lebensmittelindustrie. Ich merke darum gar nicht, dass ich meinerseits ausgesucht werde. Das heißt, ich merke es erst, als eine Frau, die ich gar nicht auf dem Schirm habe, den Zusammenstoß unserer Einkaufswagen provoziert. Sie haucht ein: »Tut mir leid«, macht aber keinerlei Anstalten, den Weg freizugeben. Ich sehe sie an, weiß aber dennoch nicht, wie sie genau aussieht, weil sie mehr oder weniger getarnt unterwegs ist. Sie trägt ein Tuch um den Kopf und hat außerdem eine riesige Sonnenbrille auf der Nase, so dass ich von ihrem Gesicht eigentlich nur die dunkelrot geschminkten Lippen erkennen kann. »Macht nichts. Ist ja nichts passiert.«
    Sie lacht erleichtert und neigt dann den Kopf in Richtung meines Einkaufswagens. »Scheint so, als hätten wir denselben Geschmack, was? Die Curry-King von Meica! Stehe ich total drauf.«
    Ich blicke in ihren Wagen und sehe eher das Gegenteil von Currywürsten, nämlich ein paar Becher Hightech-Diätjoghurt, eine Kiwi und eine Packung Vasa-Knäckebrot mit Sesamkörnern. Ihr Versuch, so etwas wie eine Gemeinsamkeit zwischen uns herzustellen, rührt mich. »Wann haben Sie denn das letzte Mal eine gegessen? Ich meine

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