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Herrengedeck

Herrengedeck

Titel: Herrengedeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Tamm
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letzte Nacht zu erinnern. Habe nach dem Abgang der Rothaarigen noch ziemlich lange mit dem brasilianischen Barkeeper geredet. Er hieß Max und stellte sich als netter Kerl heraus. Als die Party vorbei war und er Feierabend hatte, fragte er mich, ob ich ihn und seine Kolleginnen nicht ins Ipanema , eine Brasil-Disco in Köln-Deutz, begleiten wolle. Klar wollte ich. Was dort dann passiert ist, sehe ich nur noch in Einzelbildern vor mir, so als würde das Stroboskoplicht in der Disco in meinem Hirn immer noch weiterblitzen. Ich selbst mit nacktem Oberkörper auf der Tanzfläche, Ciara, eine der beiden Bar-Mädchen, neben mir. In der nächsten Szene liege ich auf dem Fußboden des Herrenklos,
wo Ciara ihre Lippen auf meine presst, allerdings nicht um mich zu küssen, sondern um mich zu beatmen. Und dann macht der Film leider eine mehrstündige Werbeunterbrechung. Als mein Bewusstsein wieder online ist, liege ich schon zu Hause im Bett und batike das Laken mit meinem Mageninhalt.
    Erstaunlich ist, dass es mir (von der medizinischen Seite abgesehen) richtig gutgeht. Ich habe zwar keine Frau klargemacht, aber ich habe einen verdammt geschmeidigen Abend verbracht - einen, wie lange nicht mehr.

10. Tag: Montag
    Mittags : Kurzes Telefonat mit Andy, der mir von den sexuellen Qualitäten der Freundin von Albrecht Sonnenheim vorschwärmt und gar nicht verstehen kann, warum ich auf solche Eskapaden nicht gut zu sprechen bin.
    Abends ein Onlinedate mit einer bezaubernden Frau mit lauter bezaubernden Details: goldener Lipgloss, silberner Blick, durchsichtiges Top und genauso durchsichtige Interessen: Sie will einen Mann. Alles passt also perfekt. Bis zu dem Augenblick, in dem sie zum ersten Mal den Mund aufmacht und mir klarwird, dass sie die deutsche Synchronstimme von Duffy Duck sein muss. Behaupte, aufs Klo zu müssen und verschwinde. Die Optik muss stimmen, der Sound aber auch.
    Auf dem Weg nach Hause klingelt mein Handy. Es ist meine Schwester Bea, die wissen möchte, wie es mir geht. Ich antworte ihr als Erstes, dass ich das auch nicht so genau wisse.
    »Danndir immerhin nicht mehr hundsmiserabel«, sagt sie daraufhin.
    Nach ein paar Sekunden Nachdenken wird mir klar, dass sie Recht hat. Meine Laune ist wirklich gar nicht so schlecht. Das Date mit Duffy Duck hat nämlich meinem Selbstbewusstsein gutgetan. Wenn man selbst eine Abfuhr bekommen
hat, kann es einem verdammt guttun, seinerseits jemandem eine Abfuhr zu erteilen. Ich weiß natürlich, dass das nicht nett ist, und das Wort Abfuhr trifft die Sache mit Katja sowieso nicht so richtig. Trotzdem hat das Ganze meiner Laune gutgetan.
    Ich erzähle Bea von der Sache mit dem Date, woraufhin sie mit einem ungläubigen Lachen reagiert. »Du bist einfach abgehauen? Und hast dich nicht einmal verabschiedet? Und das nur wegen ihrer Stimme?«
    »Findest du es schlimm?«
    »Natürlich. Die arme Frau.«
    »Immerhin habe ich es ihr nicht gesagt, warum ich gegangen bin.«
    »Ja, das macht es wirklich besser«, sagt Bea prustend.
    Dann möchte ich wissen, ob sie aus einem bestimmten Grund angerufen hätte. »Nur so«, erklärt sie. »Ich wollte einfach wissen, wie es dir geht.«
    Ich kenne meine Schwester gut genug, um zu wissen, dass sie etwas vor mir verheimlicht. »Was ist los, Bea? Irgendetwas ist doch, oder?«
    »Nein, gar nicht.«
    »Bea!«
    »Also gut. Ist wegen Mama.«
    »Was ist mit ihr?«
    Bea lässt ein paar Sekunden verstreichen und fragt mich dann mit einer seltsamen Stimme: »Willst du es wirklich wissen?«
    »Was will ich wirklich wissen?«
    »Sie haben sich getroffen, Mama und Katja. Im Café.«
    »Im Ernst?!«

    »Glaube schon.«
    »Weißt du, worüber sie gesprochen haben? Haben sie über mich gelästert? Hat Mama Katja dazu gratuliert, dass sie mich verlassen hat? Hat sie vielleicht sogar vorgeschlagen, dass Katja doch mal mit diesem Raimund vorbeikommen soll?«
    »Nein, hat sie nicht. Aber ich würde nicht ausschließen, dass es noch kommt«, sagt Bea mit einer seltsamen Stimme.
    Obwohl mich die Nachricht nicht wirklich wundern kann, haut sie mich ziemlich von den Füßen. Ich könnte eine Familie brauchen, die mich tröstet, und nicht eine, die mir in den Rücken fällt.
    »Ich weiß jetzt doch, wie es mir geht«, sage ich daraufhin.
    »Und wie?«
    »Schlecht.«
    »Tut mir leid, Stefan. Ich hätte es dir nicht sagen sollen.«
    »Quatsch, mach dir keine Vorwürfe. Das macht es auch nicht wirklich schlimmer.«
    Eine halbe Stunde später liege ich im Bett, und meine

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