Herrengedeck
wirklich zu wollen.
Heute kommt Corinna kurz nach mir in das Lokal gerauscht. Wieder ist sie es gewesen, die mich um ein Treffen gebeten hat. Sie sieht mich aus großen, mitfühlenden Augen an und sagt: »Du wirst nicht glauben, was passiert ist. Die beiden denken über eine gemeinsame Wohnung nach. Kannst du dir das vorstellen?«
Fühle mich auf einmal, als hätte mir Mike Tyson das Ohr abgebissen. Dass die Sache mit Raimund ernst ist, war mir klar. Aber Katja hat mir bei ihrem Auszug selbst noch gesagt, dass sie erst einmal bei ihrer Mutter unterkriecht, um zu sich selbst zu finden. Und jetzt das! »Wow! Die beiden scheinen es ja wirklich eilig zu haben«, sage ich und bemühe mich darum, einigermaßen entspannt zu klingen.
Corinna schüttelt energisch den Kopf. »Ich kann es nicht glauben! Katja war acht Jahre mit dir zusammen und sieben Jahre davon habt ihr zusammengelebt, und keine zwei Wochen nach eurer Trennung will sie mit diesem … diesem … diesem Mann zusammenziehen.«
Ich ringe mir ein tapferes Lächeln ab. »Die beiden müssen ja erst einmal eine passende Wohnung finden. Und glaub mir, das wird schwerer, als sie es sich vorstellen.«
Wir Makler in Köln haben eine Art internes Warnsystem, mit dem wir uns ganz formlos gegenseitig Hinweise auf unseriöse oder insolvente Mietinteressenten geben. Werde gleich nach der Mittagspause eine Rundmail verfassen, und
ich weiß jetzt schon, dass Katja und Raimund ein paar überraschende Erlebnisse haben werden.
Ich erzähle Corinna davon. »Hoffentlich klappt das«, meint sie. »Wenn ich Vermieter wäre, würde ich Raimund meine Wohnung sofort geben.«
»Wieso?«
»Na ja, er ist halt … Also er macht schon einen guten Eindruck. So einen Mann möchte man doch im Haus haben.«
»Jaja, ich habe es kapiert«, sagte ich schlecht gelaunt. Blöde Kuh . »Hat Katja irgendetwas über mich gesagt?«
»Was? Über dich? Wieso?«
»Ich meine, macht sie sich Gedanken über mich? Fragt sie, wie es mir geht? Und wie ich die ganze Sache verkrafte?«
»Jaja, natürlich«, sagt Corinna und wirkt irgendwie so, als wäre sie nicht ganz bei der Sache. »Wenn sie mir nicht gerade von Raimund vorschwärmt, spricht sie auch über dich. So im Sinne von, warum sie nicht schon viel früher und dass es ja doch eine Befreiung wäre und du das bestimmt auch irgendwann einsehen wirst und …«
»Danke, Corinna. So genau wollte ich es gar nicht wissen.«
Sie wirft einen nervösen Blick auf die Uhr, steht schon halb und sagt: »Gut, Stefan. Ich muss dann mal. Kopf hoch! Das wird schon wieder. Ganz bestimmt. Wir beide, du und ich, wir werden Katja den Kopf schon wieder geraderücken. Also, ich ruf dich wieder an, sobald ich was Neues weiß.«
Dann rauscht sie raus und lässt mich mit meiner nach altem Thunfisch schmeckenden Pizza und ihrem nicht mal angeknabberten Rucola-Salat zurück. Und ich hasse Rucola.
13. Tag: Donnerstag
7:25 Uhr: Ich gehe doch wieder Joggen, nur dass ich diesmal erstens nicht renne und zweitens zwei Teleskopstöcke in der Hand halte, die ich hinter mir her schleife wie zwei Antistatikbändchen an einem Auto.
Ja, ich weiß. Das ist nicht Joggen, das ist Nordic Walking. Aber das ist für einen Jogger so, als würde ein Bundesligaspieler auf einmal in der Kreisklasse mitmischen. Muss man dann nicht auch noch laut aussprechen.
Wieder nähere ich mich meinem Lieblingspark, wobei ich verkrampft nach den beiden Läuferinnen von neulich Ausschau halte. Aber die Luft ist rein. Ich hole mit weiten Schritten aus und merke, dass diese Art der Fortbewegung gar nicht so schlecht ist. Vor allem schont sie das Herz-Kreislauf-System und damit die Nerven.
Wie auf einer Autobahnauffahrt schwenkt von rechts eine weitere Walkerin auf den Weg ein. Sie lächelt mich an, synchronisiert ihr Geklapper mit meinem Geklapper und sagt gut gelaunt: »Hey! Neu in der Community ? Hab dich noch nie gesehen.«
»Stimmt. Bin bisher gejoggt, wollte aber mal etwas anderes ausprobieren. Und siehe da, Nordic gefällt mir viel besser.«
»Und es verbraucht sogar mehr Kalorien.« Sie schenkt meinem Bauch einen aufmunternden Blick.
»Ach, das ist mir gar nicht so wichtig«, kontere ich.
Sie lacht und sagt: »Total sympathisch, deine Einstellung. Ich finde auch, dass man sich nicht so verrückt machen sollte wegen ein paar Gramm zu viel oder zu wenig. Hauptsache ist doch, dass es Spaß macht, oder?«
»Auf jeden Fall.« Wir walken flott nebeneinander her und unterhalten uns über Sport, die
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