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Herrengedeck

Herrengedeck

Titel: Herrengedeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Tamm
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besten Parks von Köln und die verschiedenen Techniken, wie man Walkingstöcke handhaben kann. Bei dem Thema halte ich mich dezent zurück, weil ich nicht den blassesten Schimmer habe. Aber egal. Während sie mir etwas über den Knick im Handgelenk und den Winkel im Ellbogen erzählt, nehme ich sie unter die Lupe und stelle fest, dass sie genau richtig ist: An den richtigen Stellen rund, ein offenes, sympathisches Gesicht und Augen, die strahlen, als wären sie mit Klarlack besprüht.
    Ich will ihr gerade vorschlagen, die Stöcke einfach Stöcke sein zu lassen und lieber einen Kaffee trinken zu gehen, als wir plötzlich rechts und links überholt und dann ausgebremst werden - die beiden Joggerinnen von neulich! Sie schenken mir einen Kammerjäger-Blick, wenden sich dann mit lächelnd-besorgtem Ausdruck zu meiner Mitwalkerin und sagen: »Achtung, der Typ ist ein Spanner und ein Anbaggerer. Er hat es vor ein paar Tagen schon bei uns versucht.«
    Daraufhin beschleunigen sie und verschwinden um die nächste Wegbiegung. Ich versuche zu retten, was zu retten ist. »Die kenne ich gar nicht, die beiden. Die verwechseln mich.«
    Zu spät. Die Walkerin sieht mich an, als besäße ich irgendwo in Österreich einen Keller mit einer Schleusentür, in dem
ich Frauen gefangen halte. »Kann schon sein. Aber ich will es nicht ausprobieren.«
    Dann klemmt sie sich ihre Walkingstöcke unter den Arm und beschleunigt wie Sebastian Vettel nach dem Startschuss zum Großen Preis von Istanbul.
    »Hey! Das ist unfair«, rufe ich ihr hinterher. »Ich wollte doch gar nicht … na ja, schon, aber …«
    Sie dreht sich noch einmal um und sagt: »Männer!«
    Als wäre damit alles gesagt.
     
    14:38 Uhr: Werde für das Frusterlebnis am Morgen entschädigt, weil ich einen Termin mit der sexiest colleague alive habe, Birgit. Nachdem das Geschäftliche erledigt ist, plaudern wir noch eine Weile und als ich ihr erkläre, dass es bei manchen Menschen fast schade ist, dass sie Kollegen sind, weil man sie viel lieber als Freunde hätte, ist sie sofort einverstanden. Als ich dann meine, dass manche Menschen ja beides sind, Kollegen und Freunde, stimmt sie wieder zu. Darum beschließe ich, alles auf eine Karte zu setzen. »Sag mal, Birgit, mal ganz direkt gefragt: Was hältst du eigentlich davon, wenn wir uns mal außerhalb des Büros treffen? So ganz privat, meine ich? Wir könnten zum Beispiel essen gehen. Oder …«
    »… ich koche einfach was für uns? Und wir verbringen einen gemütlichen Abend in meiner Wohnung zusammen?«, fragt sie zurück.
    »Ja, genau«, sage ich strahlend.
    »Und dann gehen wir zusammen ins Bett und vögeln so lange, bis du nicht länger an deine Ex denken musst? Toller Plan, Stefan.«
    Hätte jetzt gerne diese Unsichtbarkeitsdecke, die sich Harry
Potter immer überwirft, um durch sein verkacktes Schloss zu schleichen und heimlich Hermine beim Duschen zuzusehen. Weiß nicht, worüber ich mich mehr ärgern soll: Über mich? Über Birgit? Oder darüber, dass ich gerade meine große Hoffnung auf ein knackiges Date mit ihr verspielt habe?
    »Du weißt es? Seit wann?«, frage ich.
    Birgit zuckt mit den Schultern. »Jeder in der Abteilung weiß es. Weil ein Blick in dein Gesicht genügt, um es zu wissen. Außerdem haben sich Dick und Doof, also Michi und Peffe, verplappert.«
    Verdammt, denke ich. Das Problem an Birgit ist, dass sie nicht nur verflucht gut aussieht, sondern eben auch verflucht klug ist. Und nett. Und humorvoll. Das macht es unnötig kompliziert. »Tut mir leid, Birgit. Vergiss es einfach«, sage ich kleinlaut.
    Sie schenkt mir ein versöhnliches Lächeln und meint: »Ich wollte nur kurz klarstellen, was ich bestimmt nicht möchte, nämlich eine heiße Affäre unter Kollegen. Und ich möchte auch nicht die Trostfrau sein, mit der du dir den Frust über deine Ex abarbeitest. Aber abgesehen davon freue ich mich sehr, dich als Kollegen zu haben, Stefan.«
    Wir sehen uns an, und ich muss mir wieder einmal eingestehen, dass ich aus dieser Frau einfach nicht schlau werde. Was ist ihr Geheimnis? Steht sie vielleicht insgeheim gar nicht auf Männer? Oder ist sie heimlich längst verheiratet, vielleicht sogar mit jemandem aus der Firma?
    Andererseits darf ich mich nicht beschweren! Die Antwort, die sie mir gegeben hat, war zwar nicht unbedingt das, was ich mir gewünscht habe, aber eine Totalabfuhr war es auch nicht. Sollte also am Ball bleiben.

     
    Abends: Beschließe, mir frauenfrei zu nehmen. Keine Dates, keine Flirts,

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