Herrengedeck
war. Mental, du weißt schon. Er hat halt Probleme in der Hinsicht. Du kennst ihn ja.«
Hey, du Penner. Was erzählst du denn da? Hör sofort auf mit dem Scheiß.
»Als Hausbote?«, fragt Lucy überrascht. »Ich dachte, Andy ist selbstständig.«
»Ja, war er auch. Bevor er damals verhaftet wurde wegen … na ja, du weißt es ja bestimmt.«
Halt sofort die Klappe, du Mistkerl!
»Was denn? Andy war im Gefängnis? Das ist ja schrecklich. Und ich wollte mit ihm …«
»Andy ist halt ganz anders, als es auf den ersten Blick erscheint, und …«
Wenn du jetzt weitersprichst, sind wir geschiedene Leute, Stefan. Was soll das überhaupt? Ich will dir helfen und so dankst du es mir? Los, bieg das sofort wieder gerade!
»Stefan? Erzähl doch weiter. Also, was war da mit Andy?«, fragt Lucy.
»Ach, gar nichts, vergiss es. Ich habe ihn verwechselt. Andy war gar nicht im Knast. Er ist echt ein total klasse Typ.«
Danke.
»Ja, das glauben viele«, sagt Lucy nachdenklich. »Soll ich dir sagen, was ich über ihn denke?«
»Nein, Lucy, das möchte ich nicht wissen. Wirklich nicht.«
»Ach, komm. Er hört es doch nicht. Ich finde, dass Andy ein ziemlicher Aufschneider ist. Ich kann auch gar nicht verstehen, warum so viele Frauen auf ihn stehen. Er ist dieser typische Macho, der nur auf Eroberungen aus ist. Aber er bleibt nie länger als eine Woche bei einer Frau, und weißt du auch, warum? Weil er genau weiß, dass sie sonst merken würde, wie wenig hinter der ansprechenden Fassade steckt. Nämlich gar nichts.«
»Ach, das kann man so doch wirklich nicht sagen.«
»Oh doch, kann man.«
»Tut mir leid. Das habe ich nicht gewollt. Wirklich nicht«, murmele ich, mehr zu meinem Hemdkragen als zu Lucy.
Lucy sieht mich überrascht an. »Wieso nicht gewollt? Und leidtun muss es dir auch nicht. Man kann sich seine Freunde ja schließlich nicht aussuchen, nicht wahr? Aber ich finde es toll, dass du Andy so in Schutz nimmst.«
Dieses verlogene Luder! Das werde ich ihr heimzahlen. Das gelobe ich feierlich.
»Ach, stell dich nicht so an.«
»Wie bitte?«
»Nichts.«
Auf einmal sieht Lucy mich an wie Miss Marple, die gerade
entdeckt hat, wer der Mörder ist. Bevor ich mich rühren kann, grapscht sie auch schon über den Tisch, wuselt mir in den Haaren herum und reißt mir das gut verborgene Headset aus dem Ohr. »Hallo? Ist da jemand dran?«, schreit sie in das winzige Sprechteil.
Hallo? Stefan? Was ist los bei dir? Ist die Kleine renitent? Bestell noch einen Wein und schenk ihr ordentlich ein. Das funktioniert immer.
»Oh ja«, keift Lucy. » Das funktioniert immer! Und wenn man euch perversen Arschlöchern die Polizei auf den Hals hetzt, funktioniert das auch.«
Sie knallt ihre Serviette auf ihren nicht einmal halbleer gegessenen Teller, greift mit einer energischen Bewegung nach ihrem Weinglas und schüttet mir den guten Pinot mitten ins Gesicht.
Dann stürmt sie aus dem Lokal, gefolgt von den Blicken der anderen Gäste.
Als sie verschwunden ist, schauen mich dieselben Gäste dermaßen vorwurfsvoll an, dass ich eine Lynchszene nicht ausschließen möchte.
Was ist los, Alter? Was ist passiert? Ist es schiefgegangen?
Ich schiebe mir ein dickes Stück Pizza Quattro Stagione in den Mund, nehme einen tiefen Schluck Wein direkt aus der Flasche und sage schmatzend ins Mikro: »Alles läuft bestens, Andy. Du kannst übrigens reinkommen. Lucy ist weg. Und das, obwohl wir noch nicht einmal den Hauptgang hatten. Datedoktor ist vielleicht doch nicht der ideale Job für dich. Ich mache es doch lieber auf meine Art.«
20. Tag: Donnerstag
Morgens: Könnte ungeschminkt bei den Dreharbeiten eines Vampirfilms mitmachen. Sehe aus wie der uneheliche Sohn von Nosferatu und Morticia, dieser Schwarzhaarigen aus der Addams Family.
Nachdem ich gestern Nacht wieder mal nicht schlafen konnte, wusste ich, dass ich etwas unternehmen muss. Habe bis zum frühen Morgen alte Poesiealben, Briefe und die Abschlusszeitung der Schule durchgearbeitet. Ergebnis: eine Liste mit allen Mitschülerinnen, mit denen ich mal zusammen oder in die ich verliebt war. Dann ist die Entscheidung gefallen: Melina wird die Frau sein, die das Rennen macht.
Melina und ich waren als Schüler nicht nur einmal zusammen, sondern ungefähr zehnmal. Wir mochten uns, scheiterten aber immer wieder daran, dass wir viel zu unterschiedlich waren. Also trennten wir uns, um es keine drei Monate später noch einmal zu versuchen.
Inzwischen sind nicht drei Monate, sondern zwanzig
Weitere Kostenlose Bücher