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Herrengedeck

Herrengedeck

Titel: Herrengedeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Tamm
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sich das erste Mal trafen, stellte sich heraus, dass die Frau ein Mann war und auch sonst so ziemlich alles gelogen war, was sie - oder er - im Internet geschrieben hatte. Tobi wollte ihm zuerst spontan eine reinhauen, merkte dann aber, dass der Typ eigentlich ganz sympathisch war. Es dauerte noch einmal drei Monate, und Tobi war schwul geworden, heiratete den Typ aus dem Netz und ist seitdem total glücklich.
    Oder Boris. Nachdem seine langjährige Beziehung zu seiner Jugendfreundin Anna in die Brüche gegangen war, meldete er sich bei allen Onlinepartnerbörsen an, die es gibt. Er schrieb täglich mindestens fünfzig Mails und traf sich wochenlang Abend für Abend mit Frauen, bis er die richtige gefunden hatte. Boris und Gudrun sind inzwischen verheiratet
und haben drei Kinder, und die Tatsache, dass Boris immer noch jeden Tag Mails schreibt und sich mit Frauen aus dem Internet trifft, muss Gudrun ja nicht wissen.
    Oder Fred. Er ist überhaupt der Beste von allen, wobei man dazu wissen muss, dass Fred ein kleines Problem mit Frauen hat. Liegt daran, dass er nur ungefähr einen Meter sechzig groß ist und eine Figur wie ein Zwölfjähriger hat. Fred tritt im Internet als Ein-Meter-Neunzig-Muskeltyp auf, schreibt geniale Love-Mails und hat jede Woche zwei Dates, zu denen er allerdings nie hingeht.
    »Warum machst du dir dann die ganze Mühe?«, habe ich ihn gefragt.
    »Warum nicht? Wie du siehst, habe ich ziemlichen Erfolg damit«, antwortete er mir mit seiner hohen Piepsstimme.
    »Aber du triffst die Frauen doch nie.«
    »Stimmt. Aber ich könnte . Und das gibt mir ein verdammt gutes Gefühl.«
    Alle anderen haben also Erfolg im Internet. Nur ich nicht. Sollte vielleicht mein Profil doch ein wenig präzisieren. Und ich sollte mir die Identitäten meiner Verabredungen genauer ansehen.
     
    18:37 Uhr: Versuche es einfach doch wieder mit einer klassischen Methode: Sport. Bin also wieder im Park, aber diesmal habe ich weder Joggingschuhe an noch Walkingstöcke in den Händen. Nein, heute habe ich Rollen unter den Füßen, mit denen ich fast so elegant wirke wie ein Eiskunstläufer. Sagen wir, wie ein Hund auf dem Eis.
    Katja hatte mir die Blades geschenkt, und einen Kurs gab’s gleich dazu. Wobei die erste Unterrichtsstunde auch meine
letzte war. Auf dem Programm stand Hinfallen . Als ich zu dem Trainer meinte, dass ich das von ganz allein könnte, sagte er nur trocken: »Weiß ich. Aber hier geht’s ums richtig Hinfallen.«
    Daraufhin machte er eine Art Hechtsprung nach vorne und landete dank der Schutzausrüstung elegant und schmerzfrei auf dem Asphalt. »Und jetzt Sie.«
    Ich machte einen entschlossenen Gesichtsausdruck, ging dann in die Hocke, in den Vierfüßlerstand und legte mich schließlich ganz vorsichtig der Länge nach auf die Straße. »Geschafft«, sagte ich.
    »Sie sollen sich nicht hinlegen wie ein Grizzly vor dem Winterschlaf, sondern hinschmeißen wie ein Fußballer im Strafraum.«
    Also gut, dann mache ich halt die Schwalbe, dachte ich. Und flog. Und landete. Und stöhnte. Weil ich mir ganz zufällig den Arm gebrochen hatte.
    Jetzt habe ich die Blades eben doch wieder aus dem Keller geholt, wo sie seit jenem Tag vor vier Jahren lagen. Um Sport oder Abnehmen geht es mir dabei allerdings nicht. In den knapp zwei Wochen, die mir bleiben, bis ich Katja wiedersehe, werde ich sowieso nicht zum Fitnessgott. Und schlank vermutlich auch nicht. Aber Sport ist nun einmal die beste Methode, um jemanden kennenzulernen. Hoffe ich jedenfalls.
    Darum blade ich mit der Geschwindigkeit eines Rentners am Rollator durch den Park und suche nach einer Bladerin, die Lust hat, neben mir zu rollen. Kurz darauf entdecke ich auch schon eine Kandidatin. Sie kommt mir entgegen, allerdings nicht langsam und bedächtig wie ich, sondern eher mit
der Geschwindigkeit einer Kawasaki. Unsere Begegnung wird kurz ausfallen. Sehr kurz. Es sei denn …
    Ich tue das Einzige, was ich kann. Mich hinschmeißen. Obwohl ich das ja eigentlich auch nicht kann.
    Eine Sekunde später liege ich quer über dem asphaltierten Weg wie eine Bodenwelle in einer Dreißigerzone. Sie macht eine elegante Schwungbremse, zieht sich die Stöpsel ihres iPods aus den Ohren, sieht mich besorgt an und fragt: »Hey, alles in Ordnung? Sah gefährlich aus, Ihr Stunt. Aber Respekt, Fallen können Sie.«
    »Habe ich ja auch monatelang geübt«, sage ich und richte mich etwas auf.
    »Kommen Sie, ich helfe Ihnen hoch«, sagt sie und streckt mir die Hand hin.
    Ich will

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