Herrentier
sich entschieden hatte. Kurz darauf konnte er sich von Bernds Nahkampfkünsten überzeugen. Ein überflüssiges Späßchen, das zu seiner grobschlächtigen Art passte. Es war mehr ein Bauchgefühl denn eine rational getroffene Entscheidung, als er dem Hauptkommissar mitteilte, dass er zum jetzigen Zeitpunkt keine weiteren Aussagen machen möchte. Er war in diesen Fall involviert, aber er hatte sich auch nichts vorzuwerfen, warum also Informationen preisgeben? Jürgen würde ihn um einen Kopf kürzer machen, wenn er sich jetzt nicht wie ein Presseprofi verhielt.
Gregor taumelte den Flur entlang. Er ging wie auf Watte. Das Gespräch mit den beiden Polizisten hatte eine tief sitzende Angst in ihm geweckt, ein altes Gefühl, das er schon lange vergessen glaubte. Das Gefühl des Ausgeliefertseins. Aus Sicht der Ermittler war er in die Ecke der potentiellen Täter geraten und hatte jetzt keinen eigenen Text mehr, außer dem der hilflosen Verteidigung. Gregor blieb an einem Fenster auf dem langen Flur stehen und sah in den Innenhof. Ein trostloses Betongelände. Polizeifahrzeuge. In der Ferne Bäume, die Stadt. Gregor blickte sehnsüchtig über das Dach des hässlichen Zweckbaus gegenüber hinweg, fühlte sich eingesperrt, hätte heulen können.
Am Ende des Ganges sprang laut summend eine automatische Glastür auf. Gregor drehte sich erschreckt zu der mit knallenden Absätzen heranmarschierenden Person um und erkannte Polizeisprecher Axel Grieshaber. Der kam mit breitem Grinsen auf ihn zu.
»Haben dich Behnke und Schwarz durch die Mangel gedreht?«, fragte er und schlug ihm auf die Schulter. Gregor war nicht nach Scherzen zumute. Er erzählte Grieshaber von der prekären Situation, in der er sich befand.
»Immerhin haben sie dir keine Handschellen angelegt, das ist ein gutes Zeichen«, lachte Grieshaber. »Ohne Scherz: Die beiden sind cleverer, als man gemeinhin denken sollte. Die machen ihren Job gut. Du bist Zeuge, da müssen sie dich befragen. Reine Routine.« Grieshaber wurde unvermittelt ernst. »Oder hast du doch etwas damit zu tun?«
Gregor rutschte das Herz in die Hose. Er begann zu stammeln, suchte nach Worten.
»Nur ein Witz«, sagte Grieshaber, in schallendes Gelächter ausbrechend. Er wischte sich Tränen aus den Augen. »Ehrlich, ich halte dich nicht nur für einen guten Journalisten, sondern für einen sehr integren Menschen.« Grieshabers Stimme senkte sich. »Aber für unseren Kollegen Fühmann sieht es wirklich nicht gut aus.«
»Was soll Bernd denn verbrochen haben?« Jetzt kam in Gregor wieder die Wut hoch. »Bernd ist vielleicht robust in seinen Recherchemethoden, aber doch kein Mörder!«
»Komm mit, das kann ich dir nicht auf dem Flur erzählen.«
Sie gingen in Grieshabers Büro. Gregor blickte sich um. Schlagartig wurde ihm wieder bewusst, dass Grieshaber Polizist war. Pokale, Uniformen, Fotos von militärisch anmutenden Wettkämpfen füllten eine ganze Vitrine, Wimpel hingen als unvermeidliche Folklore der Uniformierten an den Wänden. Grieshaber hatte sich hinter seinen Schreibtisch gesetzt.
»Hast du schon einmal einen Blick in Fühmanns Bulli geworfen?«
»Natürlich, er hat mich gerade neulich mitgenommen.«
»Ich meine hinten. Hast du mal gesehen, was er im Laderaum hat?«
Gregor überlegte. Tatsächlich, einen Blick in den hinteren Wagenteil hatte er nie geworfen. »Was hat er denn da? Eine Hanfplantage?«
Grieshaber schüttelte den Kopf. »Sagen wir mal so: Der BND wäre stolz auf solch eine Ausrüstung. Fühmanns Wagen ist vollgestopft mit der modernsten Technik, die es für die Überwachung gibt.«
Gregor zog die Augenbrauen hoch.
»Aber das ist doch nicht verboten, oder?«
»Der Besitz nicht. Nur das, was man unter Umständen damit machen kann: Leute observieren. In ihre Privatsphäre eindringen. Sie ausspionieren, um aus dem Wissen kriminelles Kapital zu schlagen.«
Die Techniker hatten Bernds Bulli komplett auseinandergenommen und dabei auch Fotos, digitale Filme und Tondateien gefunden. Bernd zapfte offenbar nicht nur den Polizeifunk an, sondern auch fremde Mobiltelefone.
»Wir sind die Protokolle zu allen Ereignissen seit dem Affenmord durchgegangen. Dabei ist uns aufgefallen, dass Bernd immer und überall dabei war. Dass er es als Einziger geschafft hat, die Nachricht vom Brand im Zoo sofort im Internet zu veröffentlichen. Außerdem haben wir unsere Abteilung für Internetkriminalität auf ihn angesetzt. Genügend Gründe also, um ihn vorsichtshalber festzusetzen.
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