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Herrentier

Herrentier

Titel: Herrentier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Joseph
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diesem Raum?«
    »Evelyn. Und ich«, sagte Jeanette. »Und die Buchhalterin, Frau Schmalstieg.«
    »Mit der würde ich mal ein Wörtchen reden. Bist du sicher, dass es das Bauamt ist, das eure Arbeit blockiert? Oder haben eure Mitarbeiter ein eigenartiges Ordnungsverständnis?«
    »Hier ist etwas faul«, sagte Jeanette und ließ den Aktenordner in ihren Händen sinken.

Leer

    »Das ist mehr als dubios.« Gregor stützte seine Hände auf den Oberschenkeln ab und sah zum gegenüberliegenden Ufer. Zwischen Madeleine und ihm stand eine Flasche Rotwein. Sie hatten sich, dick eingemummelt, im Stadthafen an die Kaimauer gesetzt, ihre Beine baumelten über dem dunkelgrünen Wasser. Abende wie diese waren selten geworden in den letzten Jahren, seit sie in relativ kurzem Abstand die beiden Mädchen bekommen hatten. In solchen Momenten merkte Gregor, dass Madeleine und er ein Paar waren, dass sie Gesprächsthemen über den Geschirrspüler und die Krippengebühren hinaus führen konnten. Dass so etwas wie Entspannung noch möglich war und sie nicht Prototypen der Marke »Junge Familie« in einer Testphase namens Alltag waren.
    Trotzdem fiel es Gregor schwer abzuschalten. Seit gut einer halben Stunde saßen sie jetzt am Wasser und wollten eigentlich eine dringend notwendige Ernährungsumstellung in ihrer Familie besprechen. Uta und Jutta waren dürr, immer ein wenig blass und sie ernährten sich hauptsächlich von Süßigkeiten, die sie ausfindig machten, egal an welcher Stelle der Wohnung Madeleine und Gregor sie versteckten. Sie lehnten den Verzehr jeglichen Gemüses ab und aßen sich bei den gemeinsamen Mahlzeiten am Wochenende allenfalls am Nachtisch satt. Doch Gregor ließen die Gespräche, die er im Lauf des Tages geführt hatte, nicht los. Madeleine lenkte irgendwann schulterzuckend ein und ließ Gregor erzählen.
    »Ich weiß nicht, wem ich trauen soll. Jeanette Albrecht oder Evelyn Hammer. Eine von beiden spielt falsch.«
    »Was sollte Evelyn Hammer bezwecken?«, fragte Madeleine. »Die Frau ist beinahe umgebracht worden von diesem Psychopathen, mit dem sie jahrelang zusammengearbeitet hat, dem sie vertraut haben muss.« Sie zog fröstelnd die Schultern hoch, und auch Gregor spürte nun durch seine Jacke hindurch, dass es kühl geworden war.
    »Vertrauen ist eben nicht alles im Zusammenleben. Man muss sich auch absichern. Ohne gegenseitiges Vertrauen ist überhaupt kein Zusammenleben möglich. Wir sind doch keine Maschinen.«
    Madeleine sah ihn an. »Was redest du denn da?«
    Gregor biss sich auf die Lippen und starrte weiter auf das Gehlsdorfer Ufer. Rechts glaubte er die Lichter des ausgedehnten Geländes vom Michaelshof auszumachen. Im 19. Jahrhundert hatte man die Rostocker Irrenanstalt eröffnet. Damals lag sie weit außerhalb der Stadt, man wollte sich das Elend behinderter Menschen ersparen. Jetzt befand sich die Anlage mitten im Nobelviertel.
    Madeleine hatte er vor zehn Jahren kennengelernt. Sie, die schöne Architekturstudentin, er, der abgebrochene Germanistikstudent und aufstrebende Lokaljournalist. Goldene Zeiten. Er hatte sein Studium geschmissen, weil er mit dem Schreiben gut verdiente und für Seminare, Vorlesungen und Belegarbeiten über Stilfiguren in Goethes »Faust« oder das Motiv des »Einverständnis« in den Theaterstücken von Brecht einfach keine Zeit mehr hatte. In letzter Zeit hatte er oft wehmütig an die Universitätsbibliothek gedacht. Aus der damals in Aussicht stehenden Festanstellung war nichts geworden, und als die beiden Mädchen auf der Welt waren, musste er feststellen, dass ihm ein Honorar, von dem er allein üppig hatte leben können, wie nichts durch die Finger lief, wenn man Steuern, tägliche Mahlzeiten, eine halbwegs geräumige Wohnung und Kita-Gebühren davon bezahlen musste. Und auch Madeleine, die nach dem Studium in Weißensee nach Rostock zurückgekehrt war, verdiente als Angestellte eines Architekturbüros keine Reichtümer.
    Gregor rückte noch etwas näher an sie heran. Seine Gedanken landeten wieder beim Zoo. »Als Jeanette Albrecht entdeckt hat, dass die Akten geplündert worden waren, ist sie sofort zur Chefbuchhalterin rüber. Jürgen würde sagen: Die hat sie rund gemacht wie einen Buslenker. Die Arme wusste gar nicht, wie ihr geschah, und war total am Ende. Ganz ehrlich, ich glaube nicht, dass sie die Akten beiseite geschafft hat.« Gregor überlegte. »Also bleiben nur noch Evelyn und Jeanette selbst.«
    »Ich glaube, vor dieser Assistentin solltest du dich in

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