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Herrentier

Herrentier

Titel: Herrentier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Joseph
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Acht nehmen. Wenn da jemand mit falschen Karten spielt, dann die«, sagte Madeleine bestimmt.
    Gregor ärgerte sich, dass er überhaupt davon angefangen hatte, und mehr noch ärgerte er sich darüber, dass Madeleine Recht haben könnte. Er sah sie von der Seite an. Immer diese Bissigkeit, wenn andere Frauen gut aussahen und auch noch etwas zu sagen hatten. Madeleine könnte auch mal wieder etwas Form in ihre Frisur bringen. Und diese Öko-Klamotten hatte er vor zehn Jahren sexy gefunden. Jetzt fand er geräumige Leinenhosen einfach nur noch unförmig. Damit konnte man allenfalls beim Gang über den wöchentlichen Biomarkt auf dem Margaretenplatz eine gute Figur machen.
    »Auf jeden Fall bin ich gespannt, wie es weitergeht«, sagte er, seine Wut unterdrückend. »Ich war heute noch bei Senator Wittekindt. Der hat mich wieder mit den Füßen auf dem Schreibtisch empfangen. Aber er hat mir versprochen, jetzt eine richtig große Welle zu machen, dass›die Zoo-Sache vorankommt. ‹Das mach ich zur Chefsache’, hat er da im Büro gebrüllt. Zumindest für eine Schlagzeile ist er j› immer mal zu gebrauchen. ‚Senator Cornelius Wittekindt: Der Erweiterungsbau kommt wie geplant‹ Dafür gebe ich mein Wort.’ Du, ich weiß heute schon, was morgen in der Zeitung steht«, sagte Gregor und zwickte Madeleine in die Seite, die kichernd versuchte auszuweichen.
    Gregor stand auf. »Lass uns ein Stück gehen.«
    Madeleine verstaute ihre Gläser, und mit der geöffneten Rotweinflasche gingen sie in Richtung der hoch aufragenden Speichergebäude. Auf dem Schotterstreifen zwischen Promenade und Radweg spielte im Schein einer Laterne eine zähe Studentengruppe Wikingerschach. Ein ziemlich simpler Wettbewerb, fand Gregor. Es ging um ein paar Holzstücke und einen »König« mit angedeuteter Krone, der in der Mitte des Feldes stand, während die Spieler versuchten, die Holzstäbe der Gegenseite umzuwerfen. Der Vorteil bestand darin, dass man das Spiel ganz offenbar fast ohne Licht spielen konnte, und nach ausgiebigem Bierkonsum fragte auch niemand mehr nach dem Sinn des Ganzen. Die Regeln ließen sich auch volltrunken beherrschen. Auf einem Baumarkt-Grill, der aussah wie ein dreibeiniger Roboter, brutzelten die Nachwuchsakademiker Würste und Fleischscheiben. Madeleine nahm den Geruch offenbar gar nicht wahr, aber Gregor verspürte unwillkürlich eine große Leere in seinem Magen und dachte an seinen lustvollen Sündenfall bei Hans Schlegel. Er hatte Madeleine nichts davon erzählt und abends brav ihre Grünkernbratlinge gekaut. Es gab einige Dinge, von denen Madeleine nichts wusste, dachte Gregor und legte mit schlechtem Gewissen einen Arm um sie. Sie sah ihn lächelnd an. Dabei fiel ihr Blick auf eine Litfaßsäule.
    »Schostakowitsch«, sagte sie, blieb stehen und studierte das Programm des nächsten Philharmonischen Konzerts. »Sinfonie Nummer fünf. Wunderbar. Da könnten wir eigentlich auch mal wieder hingehen.«
    Gregor zuckte die Schultern. Er hasste Schostakowitsch. Und auch Alban Berg, der ebenfalls gespielt wurde. Auch davon ahnte Madeleine nichts, wie sehr er sich bei Konzerten dieser Neutöner quälte. Dabei hatten sie sich bei  Knorkator  kennengelernt. Sie hatten beide die Musik der Band furchtbar gefunden und waren sich andauernd draußen beim Rauchen begegnet. Gregors Blick fiel auf ein anderes Plakat. Der »Elias« wurde in der Marienkirche gegeben. Wenn schon Klassik, dann wenigstens gefällige.
    »Wie wäre es mit Mendelsohn?«, fragte er und wies auf das Plakat. Madeleine war skeptisch. »Ginge auch. Aber Beginn
17 Uhr, da schlafen doch die Mädchen noch nicht.«
    »Sind denn die Affenkinder schon in der Heia?«
    Madeleine sah Gregor an, aber der hatte nichts gesagt. Gleichzeitig drehten sie sich um. Da stand ein Mann mit Fahrrad, dunklen Klamotten und einer Mütze auf dem Kopf. Sein Gesicht war von einem Tuch und einer Sportbrille fast vollständig bedeckt.
    »Wie bitte?«
    »Na, die Affenkinderchen. Schon im Bett und schlafen ruhig? In der Niklotstraße 28?«
    Er riss sein Mountainbike herum und preschte los, quer durch die Spaziergänger, die fluchend zur Seite sprangen, und verschwand in der Menge.
    »Kennst du den?«, fragte Madeleine.
    »Nein. Nie gesehen«, sagte Gregor und versuchte zu verstehen, was gerade passiert war.
    »Und woher kennt der unsere Adresse? Und woher weiß der … Oh Gott!« Sie stellte die Rotweinflasche ab und rannte los. Gregor war wie gelähmt. Wie in Zeitlupe sah er, dass die

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