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Herrentier

Herrentier

Titel: Herrentier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Joseph
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Grunde nur auf der Suche nach geeigneten Stellen für die Probebohrungen«, ulkte Jeanette.
    »Lass das«, sagte Evelyn. »Herr Simon kann ruhig wissen, was wirklich los ist. Die Wahrheit ist, dass meine Nerven blank liegen. Am liebsten würde ich das ganze  Darwineum  einstampfen, so eine Wut habe ich.«
    »Wir kämpfen seit Wochen für die Genehmigung des Erweiterungsbaus«, erklärte Jeanette. »Aber bisher wurde sie noch nicht erteilt.«
    »Noch nicht erteilt?«, fiel ihr Evelyn Hammer ins Wort. »Sie wird vorsätzlich zurückgehalten! Wir werden blockiert, und das können Sie ruhig so in Ihre Zeitung schreiben.«
    »Sie sprachen von Bohrungen«, sagte Gregor.
    »Richtig. Untersuchungen des Bodens. Das Amt zweifelt daran, dass der Boden geeignet ist für ein weiteres Gebäude. Dabei ist hier alles vor Jahren schon zehnfach abgesichert und untersucht worden.« Evelyn schüttelte resigniert den Kopf. »Auf jeden Fall haben wir ein neues Bodengutachten in Auftrag gegeben. Morgen werden die ersten Probebohrungen gemacht. Was uns wieder ein paar tausend Euro zusätzlich kostet. Vollkommen unnötig.« Sie hielt sich die Stirn. »Wenn Sie noch Fragen haben, klären Sie die bitte mit Frau Albrecht. Ich muss zum Arzt.«
    »Kleine Exklusivführung durchs  Darwineum  gefällig?«, fragte Jeanette, als Evelyn gegangen war. Gregor willigte ein.
    Eine milde Herbstsonne schien auf die großzügigen Außenanlagen. Drinnen in der Tropenhalle aber war es hochsommerlich warm. Gregor blieb vor einem Aquarium stehen und sah durch die Glasscheibe. Von drinnen blickte ein seltsames Lebewesen ungerührt zurück. Gregor bewegte sich ein wenig zur einen Seite, dann zur anderen. Die Augen des Wesens folgten ihm wie vor dem Porträtgemälde eines Renaissancekönigs. Es war rosig, hatte eigenartige helle Fortsätze an den Seiten, die aussahen wie Federn, und winzige Gliedmaßen, durchscheinend wie die Hände ungeborener Embryos.
    »Sie beobachtet dich«, raunte Jeanette. Gregor trat unwillkürlich einen Schritt zurück. »Keine Angst«, lachte sie. »Wir können sie sehen, aber sie sehen uns nicht durch das Glas.«
    »Ist das ein Olm?«, fragte Gregor.
    »Nicht ganz«, sagte Evelyn. »Ein Axolotl. Gehört zur Klasse der Molche. Ein Weibchen. Sie heißt Helene.«
    »Offen gestanden dachte ich, dass im  Darwineum  nur Affen wohnen.«
    »Jetzt enttäuschst du mich aber. Wie lange warst du nicht mehr im Zoo?«
    »Im Zoo war ich öfter in den vergangenen Jahren. Aber beim  Darwineum  kam immer der Mittagsschlaf dazwischen.«
    »Wie bitte?«
    »Meine Töchter sind noch klein. Wir betreten kurz nach Öffnung am Morgen das Gelände, wir gehen zu den Enten, dann zu den Pinguinen, dann an den alten Affenkäfigen vorbei zu den Elefanten. Und dann kommt der Mittagsschlaf. Die Lütten halten einfach nicht länger durch, sie müssen essen und sich dann hinlegen, sonst ist der gesamte Nachmittag die Hölle.«
    »Kein besonders großer Aktionsradius«, sagte Jeanette. »Dann sieh dich in Ruhe um. Kannst ja deinen Töchtern erzählen, was es hier alles gibt …«
    »Besser, du erklärst mir alles.«
    Sie setzte einen sachlichen Gesichtsausdruck auf und sprach mit Reiseführerstimme: »Das  Darwineum . Evolution zum Anfassen auf zwanzig Hektar Fläche. Allein die Tropenhalle ist fünftausend Quadratmeter groß. Viele Tonnen Beton wurden verbaut. Jeder einzelne Stahlträger wiegt fünfzehn Tonnen. Dazu ein federleichtes Dach, zu einhundert Prozent durchlässig für Tageslicht. Ein Folienkissendach, das ist einzigartig. Rund dreißig Tierarten leben in diesem Bereich, vom Wirbellosen zum Großaffen. Kurz vor dem Menschen haben wir aufgehört«, sagte Jeanette wieder mit ihrer normalen Stimme. »Einige Menschen dieser Stadt wären durchaus wert, als Homo sapiens hier ausgestellt zu werden.«
    »Frau Landgräfe zum Beispiel?«
    »Nein, die käme in die Vogelvoliere«, sagte Jeanette schnippisch. »Im  Darwineum  könnte ich mir eher Cornelius Wittekindt vorstellen.«
    »Den Bausenator? Warum denn den?«
    »Ich glaube nicht, dass eine Frau wie Gertrud Landgräfe auf eigene Rechnung handelt. Die sichert sich doch nach allen Seiten ab, vor allem nach oben.«
    »Was ist denn das hier?« Sie waren vor einem Aquarium angekommen, in dem Quallen im Kreis schwammen.
    »Unser Quallenkreisel. Durch die Strömung werden die Tiere in ständiger Bewegung gehalten, wie im Meer. Quallen sind extrem sensibel.«
    »Und irgendwie schwer zu greifen«, sagte Gregor. Seine

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