Herrentier
Erpressung herausgekommen wäre. Mein Lebenswerk wäre wegen ein paar Tausend Euro den Bach runtergegangen. Ich hätte mich damals nie darauf einlassen dürfen. Spendenveruntreuung!«
»Niemand ist zu Schaden gekommen.«
»Das hätte niemanden interessiert. Es haben schon Leute wegen ein paar Bonuspunkten und falsch abgerechneter Reisekosten ihren Hut nehmen müssen. Am Ende hatte ich den Zoo dadurch erpressbar gemacht.« Sie kniff die Augen zusammen und tippte mit dem Zeigfinger gegen seinen Windbreaker. »Und du, mein Berater, hast mich dazu gebracht. Du hättest dich ebenso zu verantworten gehabt. Deinen Hintern habe ich auch geschützt und deshalb rate ich dir, dass du diese Landgräfe dazu bringst, den Bau durchzuwinken, aber schleunigst.«
»Das muss ich jetzt doch nicht als Drohung verstehen, oder?«
Während weiße Blumen sich unter maschinengewehrartigen Klangsalven am spätabendlichen Himmel alsbald violett und blau färbten, hallten Ohs, Ahs und Beifall über die Warnow.
»Versteh das, wie du willst. Fakt ist, ich habe für morgen Probebohrungen ansetzen lassen, um den Untergrund an der geplanten Stelle begutachten zu lassen. Wenn alles passt, fangen wir mit den ersten Arbeiten einfach an. Mit oder ohne Genehmigung.«
Kramer sah sie entsetzt an. Evelyn meinte im Dunkeln das Entweichen seiner Gesichtsfarbe zu bemerken. »Was? Davon weiß ich ja gar nichts!«
»Na, du wirst erlauben, dass ich dich nicht über alle Schritte meiner Arbeit informiere«, entgegnete sie bissig.
Ihr Gegenüber rang um Worte. »Bist du dir darüber im Klaren, dass du dir mit eigenmächtigem Handeln genau den Ärger bescherst, den du eigentlich vermeiden willst?«
»Ich bitte dich, hier in Mecklenburg hält man sich viel zu oft an Recht und Ordnung. Guck dir an, wie die Großen in anderen Branchen das machen, Google, Microsoft, RWE & Co. Die brechen erst die Regeln und dann verhandeln sie mit den Regierungen um die besten Konditionen. Glaubst du ernsthaft, dass das Fundament wieder abgetragen wird, wenn es erst einmal gegossen ist?« Sie blickte zuversichtlich über das Wasser, als sähe sie am Horizont schon den fertigen Bau. »Und so verlieren wir keine Zeit.«
Jan-Hendrik packte sie energisch am Arm. Sein Unterkiefer zitterte.
»Evelyn, wenn du Recht hast und der Bau kommt auf diese Weise durch, dann heißt das nicht, dass du es auch schaffst. Mag sein, dass du dann das Bauernopfer bist.«
»Mag sein, Jan-Hendrik, aber vielleicht wirst du es auch, also leg dich ins Zeug und bring die alte Kuh zur Besinnung.« Im Schein des Feuerwerks glichen die Silhouetten der beiden Geschäftspartner denen zweier Verliebter, doch die Energie ihrer Blicke verströmte so gar nichts Zärtliches.
»Also gut, ich werde sehen, was ich tun kann«, sagte er und trat ein Stück zur Seite. Raketen wie helle Südseequallen füllten nun den Himmel und läuteten offenbar das Finale ein. Sie sahen schweigend zu, jeder in seinen Gedanken.
»Um welchen Fehler handelte es sich eigentlich?«
Sie wandte sich fragend zu ihm. »Wie bitte?«
»Der Brief. Du sagtest, dem Absender wäre ein Fehler unterlaufen.«
»Ja, anders als bisher war der Brief mit einem Computer verfasst. Ich bin nicht sicher, weil ich von solchen Sachen nichts verstehe, aber im Krankenhaus konnte ich viel fernsehen. In einem Beitrag ging es um Wirtschaftskriminalität und so etwas. Dort berichteten sie, dass jeder Computerdrucker eine Art digitales Wasserzeichen hinterlässt. 100 oder 200 Mal. Ganz kleine Punktraster, fast unsichtbar. Aber du kannst daraus lesen, wie der Drucker heißt, wie die Seriennummer lautet und wann das Dokument erstellt wurde. Und wer weiß, was noch? Das ist auf eine gewisse Weise schon gruselig, welche Spuren man im Alltag hinterlässt, ohne es zu wissen.« Ein gewaltiger Donnerschlag beendete die Himmelsshow.
Kramer zuckte zusammen. »Gruselig«, wiederholte er.
Knall
Poff – ein Ring aus leuchtenden Punkten erhellte den fast schwarzen Himmel. Der Donnerschlag von eben war doch noch nicht der Abschluss gewesen, stellte Gregor resigniert fest. Es folgte ein Sternenschweif, dann so etwas wie ein Blumenstrauß. Mittelblaue Leuchtlocken, wie eine ätherische Afro-Frisur. Poff. Poff. Das trockene Knallen hallte von Hauswänden wider. Die Akustik hinkte hinterher, der Lärm rannte den Feuerspielen nach wie eine dumpfe atmosphärische Blähung. Das Prasseln zu groß geratener Knallerbsen.
Von der Hanse Sail bis zur Geburtstagsparty: Die
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