Herrgottschrofen
Suldinger ins Freie springen. Der warf seine Zigarette weg und rannte, wie vom Teufel gejagt, die Forststraße hinunter zum Wanderparkplatz.
»Es brennt!«, rief Albert Frey. Tatsächlich hatte einer der gigantischen Stollenreifen des Hummer Feuer gefangen. Der Tank musste beim Aufprall Schaden genommen haben, und die weggeworfene Kippe des fliehenden Suldinger hatte das auslaufende Benzin entzündet.
»Los, wir müssen die da rausholen!«, schrie Hartinger und lief durch das Unterholz auf den Hummer zu. Dabei stolperte er über einen großen Ast und kroch auf allen vieren ein paar Meter durch das Gestrüpp. Gerade wollte er wieder aufstehen, da gab es einen ohrenbetäubenden Knall. Der Tank des monströsen Geländewagens war explodiert, und Hartinger wurde wie eine Schildkröte aus dem Vierfüßerstand auf den Rücken geworfen.
Die Wucht der Detonation schleuderte den Hummer nach vorn durch die Luft. Er überflog die beiden Wagen des Tourismusunternehmers Gruber und des Bürgermeisters und landete mit den vier Rädern nach unten auf Bernbachers silbernem Passat, der, auf seine halbe Höhe zusammengestaucht, unter dem Hummer verschwand. Das Feuer griff auf den Volkswagen über, dessen Diesel ihm zusätzliche Nahrung gab.
Hartinger rappelte sich auf. Er erreichte Grubers BMW und schlug die linke hintere Scheibe mit einem schweren Stein ein, dann langte er nach vorn und betätigte den Türöffner. Er packte Veit Gruber, zerrte ihn aus dem Wagen und von den zerstörten Wagen weg, um ihn schließlich auf dem Waldboden abzulegen. Genauso machte er es mit dem Bürgermeister.
Dann versuchte er, sich dem brennenden Hummer zu nähern, hinter dessen Lenkrad der Bagger-Toni saß, doch die lodernden Flammen trieben Hartinger wieder zurück. Durch die Scheibe der Fahrertür musste er zuschauen, wie der Bagger-Toni zappelte, während die Flammen seinen Kopf umzüngelten. Er hoffte für den Brechtl, dass er bereits tot war und seine ruckhaften Bewegungen nur durch die in der Hitze zusammenschnurrenden Muskeln und Sehnen verursacht wurden.
Mittlerweile kniete Bernbacher über dem Bürgermeister und kümmerte sich um ihn. Hartinger wollte zurück in den Wald und nach Dotti schauen, als Gruber erwachte und sich schüttelte. Er versuchte aufzustehen, brach aber gleich wieder zusammen.
»Bleiben Sie liegen, Herr Gruber«, sagte Hartinger zu ihm, als er an ihm vorbeilief.
Gruber schlug die Augen auf und sagte mit wirrem Blick: »Mein PR-Sprecher. Gut, dass Sie da sind.«
Dann verlor er wieder das Bewusstsein.
Hartinger lief weiter zu Dotti. Da krachte eine zweite Explosion, und vor seinen Augen löste sich die Jagdhütte in ihre Bestandteile auf.
Ein Stück von einem Vierkantholz schlug neben Hartinger gegen eine Fichte und von deren Stamm an seine Schläfe. Mit einem kurzen Schrei brach er zusammen.
Kapitel 12
»Schön ist’s bei euch heraußen, muss ich immer wieder sagen.« Kurt Weißhaupt wandte sich vom Fenster des Krankenzimmers ab und stellte die Blumen in die Vase. Eine Schwester würde schon rechtzeitig Wasser eingießen. »Da, ein Buch habe ich dir auch mitgebracht. So einen Garmisch-Krimi von diesem Schorsch Maler. Der ist doch von hier. Aber gegen deine Erlebnisse stehen ja alle Krimiautoren auf verlorenem Posten.«
»Life is stranger than fiction«, zischelte Hartinger nur schwer verständlich aus seinem Kopfverband heraus. Der gebrochene Kiefer machte das Sprechen so gut wie unmöglich.
»Was meinst«? Weißhaupt setzte sich auf den Besucherstuhl neben Hartingers Krankenhausbett.
Hartinger nahm den College-Block und den Filzstift, die Kathi ihm vorbeigebracht hatte, und schrieb auf das oberste Blatt: »Polizeischutz für Frey und mich, bitte!«
»Ah geh, Schmarrn! Wenn sie euch ausschalten wollten, dann hätten sie das schon getan, Gonzo. Statt Polizeischutz bekommst du den Verdienstorden! Hast deinen Bürgermeister gerettet. Und den Produzenten der Casa-Carioca-Eisrevue. Gestern Abend war die Pressekonferenz. Sie haben sogar deinen Namen erwähnt. Dass du die Frau Saunders wieder ins Landl geholt hättest. Die war ja leider verhindert. Und du auch. Eine Woche Koma, was du da alles verpasst hast. Die Zeitungen sind voll mit Heldengeschichten über dich.«
Hartinger schrieb: »Alles Beschiss! Sie stecken alle unter einer Decke!«
»Ja mei, Bayern halt, stimmt’s, Gonzo?«
Der Stift flitzte über das Papier: »Du musst die Neffen Gottes recherchieren. Der Bruckmayer und der Marchsteiner. Alle
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