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Herrgottswinkel

Herrgottswinkel

Titel: Herrgottswinkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramona Ziegler
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Daniel sein konntest. Weil sie nicht den Mann ihres Lebens heiraten konnte, gönnt sie aus Eifersucht und Verbitterung dieses Glück nicht einmal ihrem eigenen Fleisch und Blut.«
    Mit dieser traurigen Erkenntnis stand er wieder schwerfällig vom Bettrand auf und hinkte gebeugt zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal kurz zu ihr um. »Keiner darf wissen, dass ich hier war, vergiss das nicht«, waren seine Abschiedsworte, bevor er die Kammertür hinter sich schloss.
    Etwa eine Stunde später bekam sie auch noch Besuch von Burgel, die ihr eine Schüssel mit kuhwarmer Milch nach oben brachte, in der kleine Brotstücke schwammen. »Du musst jetzt viel essen, Anna, damit dein Kind auch schön kräftig wird.«
    Und während Anna alles bis auf den letzten Rest hungrig in sich hineinschlang – schließlich war es das erste Essen seit dem Frühstück –, trug Burgel Johanna im Arm durchs Zimmer und bewunderte die kleinen Hände und die winzige Nase des Neugeborenen. »Ich werde nie Kinder haben«, stieß sie plötzlich abrupt hervor.
    »Das kannst du doch gar nicht wissen«, erwiderte Anna beschwichtigend, obwohl sie wusste, dass Burgel recht hatte.
    Doch sie bekam keine Antwort mehr, denn Burgel verschwand ohne ein weiteres Wort aus ihrem Zimmer, nachdem sie die Kleine zurück ins Bett gelegt hatte.
    Annas Entschluss stand fest: Morgen wollte sie sich in aller Frühe auf den Weg nach Tiefenbach zu Henne machen und dann mit ihm und seinem Gespann weiter zu ihren Eltern nach Bolsterlang. Mit diesem Gedanken schlief sie ein. Als der Morgen graute, ging sie ein letztes Mal in die Küche nach unten, um sich beim Frühstück von ihrer noch so jungen Verwandtschaft zu verabschieden. Ohne Umschweife und mit kurzen Worten teilte sie ihr Vorhaben mit. Überraschenderweise bot ihr Burgel vor allen anderen an, sie bis Tiefenbach zu begleiten. Fast schien es, als hätte Anna hier oben doch eine neue Freundin gewonnen – und sie freute sich zum ersten Mal in den letzten Monaten wirklich.
    Bald darauf brachen die beiden Frauen auf, Burgel trug die kleine Johanna und an einem Stock über ihrer Schulter baumelte das Kopftuch mit Annas wichtigsten Habseligkeiten, denn Anna fiel der Fußmarsch noch sichtlich schwer. Ganz vorsichtig, breitbeinig und immer wieder festen Tritt suchend stieg sie die steile Anhöhe nach Tiefenbach hinunter. Dort angekommen, war sie einigermaßen verwundert, dass die Einspänner und Henne bereits auf sie warteten, doch Burgel gestand ihr, dass sie letzte Nacht noch heimlich zu Henne hinuntergeeilt sei, um ihn vorab zu informieren.
    »Schade, dass ich euch beide schon wieder verlieren muss. Nur wir drei, das hätte jetzt so schön werden können«, meinte sie, als Henne Anna und die Kleine in Felle und Decken hüllte, damit sie es während der Fahrt warm hätten.
    »Ja, nur wir drei, da hast du recht … Aber ich werde dir deine Freundlichkeit und Hilfe nicht vergessen, Burgel, und so weit sind wir ja auch nicht voneinander fort.« Anna umarmte sie schnell noch einmal und schon ging es los Richtung Bolsterlang.
    Mit Henne redete sie nicht viel auf dieser Fahrt, sie hing lieber ihren Gedanken nach und je weiter sie fuhren, desto unwirklicher kamen ihr die letzten Monate vor. Sie war froh, dass ein trauriges Kapitel ihres Lebens zu Ende ging und dass sie Daniels ›Abschiedsgeschenk‹ aus ihrem wunder vollen Sommer in die neue Zeit mit hinübernehmen konnte: Johanna!
    Die Überraschung der Eltern war groß, als sie schließlich vor dem Hof in Bolsterlang zu stehen kamen. Noch größer aber war die Wiedersehensfreude und der Stolz auf das ›Butzele‹, das sie nun zum ersten Mal sahen. »Aber ich will Euch nicht auf der Tasche liegen, das verspreche ich Euch«, waren Annas Begrüßungsworte.
    »Jetzt kommt doch erst mal herein«, erwiderte Annas Vater. »Ihr seid sicherlich hungrig.« Dann wies er seine beiden jüngsten Söhne an, sich um das verschwitzte Pferd zu kümmern, und sie gingen mit Henne ins Haus.
    Anna wollte gleich mit dem Erzählen anfangen, doch ihre Mutter unterbrach sie. »Später, Anna. Jetzt essen wir, und dann ist auch noch Zeit. Stell dir vor, zufällig gibt es heute auch noch dein Lieblingsessen. Kässpatzen.«
    Alle setzten sich und als auch die Kinder vom Stall zurück waren, stand eine riesige, dampfende Schüssel in der Tischmitte, aus der sich jeder bedienen konnte, denn Teller gab es keine. Gegessen wurde direkt aus der Schüssel, das war Brauch bei Kässpatzen. Dazu gab es kalte Milch

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