Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herrgottswinkel

Herrgottswinkel

Titel: Herrgottswinkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramona Ziegler
Vom Netzwerk:
Die alte Gundlerin war gerade dabei, in der Pfanne geröstete Kartoffeln auf den Tisch zu stellen.
    »Ein Mädchen, so, wie es sich Daniel gewünscht hat«, erwiderte Anna mit fester Stimme.
    »Das hab ich mir schon gedacht, dass du mehr als ein Mädchen wohl eh nicht zustande bringen würdest.« Und ohne das Kind eines Blickes zu würdigen, nahm sie Platz und begann mit dem Essen.
    Anna konnte nicht anders, ihr stiegen Tränen in die Augen. Verflogen war all das Selbstbewusstsein von vorhin. Traurig setzte sie sich zu den anderen und fischte mit einem Löffel die gebratenen Erdäpfel aus der Pfanne. Am Tisch war die Stimmung äußerst bedrückt, keiner sprach und man hörte nur manchmal ein Gekratze in der Pfanne und hin und wieder einen Huster des frischgebackenen Großvaters, der wieder einmal krank war.
    Als alle bis auf Anna und Walli zur Arbeit im Stall waren, fragte die Schwiegermutter, ohne Anna anzusehen, wie es nun weitergehen solle. Anna eröffnete der Alten, dass sie vorhabe, zu ihren Eltern nach Bolsterlang zurückzukehren, und je schneller das passiere, desto besser sei es für alle Beteiligten. Zum ersten Mal, seit sie sich kannten, schien sie ihrer Schwiegermutter aus der Seele zu sprechen.
    »Ich will Henne fragen, wann er mich, mein Kind und das Nötigste mit seinem Einspänner hinüberbringen kann«, versuchte Anna das unerfreuliche Gespräch zu beenden.
    »Ja, der Henne, der hat es dir angetan, nicht wahr? Kaum war mein Sohn unterm Boden, da hat er dich schon im Arm gehabt. Sage nichts, ich hab es mit eigenen Augen gesehen!«
    Anna stand mit klopfendem Herzen auf. Sie hob ihre Kleine auf den Arm und ging wankend zur Tür. Gerade hatte sie die Klinke ergriffen, um die Küche zu verlassen, da sprang die Alte hinter ihr auf.
    »Jetzt bist wohl sprachlos, dass ich das weiß, aber weil ich von Anfang an wusste, was du für eine bist, ist mir nichts entgangen.«
    Anna blickte ihr traurig und voller Mitleid in die Augen. »Wie ausgerechnet Ihr einen Sohn wie den Daniel auf die Welt bringen konntet, ist mir ein Rätsel. Er hatte so überhaupt nichts von Euch. Ihr seid nur ein armer, armer Mensch. So wie Ihr möchte ich niemals werden.«
    Oben in ihrer Kammer schloss sie sich ein und legte sich weinend auf ihr Bett. Lange überlegte sie hin und her, was sie nun am besten tun sollte, und betrachtete dabei das kleine schutzlose Wesen in ihren Armen, das zuerst gierig an ihrer Brust trank und dann friedlich einschlief. Wie schön und wichtig wäre es gewesen, in diesem Moment Daniel an ihrer Seite zu haben. Was sollte aus dem Kind ohne den Vater bloß werden? Irgendwann musste sie über ihren Gedanken und auch wegen der Anstrengungen der letzten Nacht eingeschlafen sein, denn sie wachte erst wieder auf, als es draußen schon dämmerte und die kleine Johanna ihren Hunger in die Welt hinausschrie. Jetzt war es zu spät, den Hof noch zu verlassen. Als es bereits stockfinster war, wurde vorsichtig an ihre Tür geklopft. Zuerst dachte Anna, es sei Burgel, doch als sie öffnete, stand der alte Gundler mit einer Petroleumlampe in der Hand vor ihr.
    »Alle sind im Stall«, begann er verlegen und betrat humpelnd die Kammer. »Ich will mir mein Enkelkind auch einmal ansehen.«
    »Kommt nur«, bat ihn Anna traurig und führte ihn ans Bett, wo er sich die Kleine eine ganze Weile besah.
    Dann stopfte er ihr schnell und als würde er etwas Verbotenes tun einen kleinen Beutel mit Münzgeld in die Hand. »Nimm es«, forderte er sie unbeholfen auf. »Ich habe es mir heimlich abgezwackt, wenn ich Holz verkauft habe, ein Notgroschen, du verstehst. Meine Frau darf davon nichts wissen, sie hat mich mein ganzes Leben kurz gehalten wie einen Tagelöhner und mich nur geheiratet, weil sie einen Mann suchte, der den Vater macht. Die Burgel ist nämlich nicht von mir, nur hat sich ihr leiblicher Vater schon während der Schwangerschaft aus dem Staub gemacht. Ich war sozusagen der Lückenbüßer, aber das Spiel habe ich erst viel später durchschaut und da war ich bereits verheiratet.« Er lachte bitter. »Und wenn du das Geld nicht willst, dann nimm es für meine Enkelin Johanna. Burgel hat mir ihren Namen gesagt. Ein schöner Name, wie ich finde. Aber bitte kein Wort zu Burgel, sie weiß nichts von unserer Unterhaltung. Außerdem hat sie es bereits schwer genug mit so einer Mutter, die ihr auch noch die wenigen Verehrer weggebissen hat, die sie jemals hatte. Aber für Walli ist eh keiner gut genug, so wenig, wie du gut genug für

Weitere Kostenlose Bücher