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Herrgottswinkel

Herrgottswinkel

Titel: Herrgottswinkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramona Ziegler
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Zorn, dass sie hinter Anna herlief und ihr geifernd nachrief: »Und wer sagt mir eigentlich, ob der Balg auch tatsächlich von meinem Daniel ist? Was man sich von dir erzählt, kannst du mit deinem Aussehen an jedem Finger fünf Männer nebenher gehabt haben!«
    Anna drehte sich nicht einmal um. Unbeirrt ging sie in ihr Zimmer, stieß die Tür mit lautem Knall hinter sich zu und verriegelte sie von innen. Inzwischen hatte die tobende Alte den ersten Stock erreicht und polterte mit den Fäusten gegen die versperrte Tür. »Und noch eins, was geht uns deine Schwangerschaft überhaupt an? Wie kommen wir eigentlich dazu, dich und dein Balg durchzufüttern, wo uns doch selbst kaum etwas bleibt?«
    Anna saß am ganzen Körper zitternd auf ihrem schmalen Bett, ihre Knie waren weich und ihr Herz raste, als ob es jeden Moment zerspringen könnte. Nein, hier konnte und wollte sie nicht länger bleiben! Sie musste eine andere Lösung finden, sowohl für sich selbst – aber noch mehr um ihres Kindes willen. Sicher würde sie anfangs bei ihren Eltern Unterschlupf finden, und danach würde es schon irgendwie weitergehen. Aber hier musste sie weg. Schleunigst!
    Nach einer Weile vernahm sie vor ihrer Kammertür die Stimmen von Burgel und dem alten Gundler, die wild auf ihre Schwiegermutter einredeten und Walli schließlich wegzerrten. Gegen Abend klopfte es vorsichtig an ihre Tür und Burgel bat, hereinkommen zu dürfen. Nach anfänglichem Zögern öffnete Anna schließlich und Burgel übergab ihr ein Haferl mit Flädlesuppe und ein Stück Brot.
    »Für heute ist es sicher besser, wenn du oben in der Kammer bleibst«, meinte Burgel, die seit der Lungenentzündung ihres Vaters nicht mehr ganz so abweisend schien. »Bis morgen wird sie sich schon wieder beruhigt haben.«
    Anna sah Burgel aus rot verweinten, traurigen Augen an. Sie bedankte sich für die Suppe, meinte aber, dass sie in dieser Situation nichts hinunterbekommen würde.
    »Du vielleicht nicht, aber dein Kind wird Nahrung brauchen«, entgegnete ihre Schwägerin energisch und stellte das Essen auf den kleinen Nachttisch unter dem Fenster.
    Als sie fort war, verschloss Anna die Kammer wieder, löffelte die Suppe in sich hinein, ohne deren Geschmack überhaupt wahrzunehmen, und legte sich danach völlig erschöpft zu Bett. Sie musste etwas Ruhe und Schlaf finden, bevor sie sich heute Nacht, wenn alle anderen schliefen, zu ihren Eltern nach Bolsterlang aufmachen würde. Die notwendigsten Sachen hatte sie bereits in ein großes Kopftuch gebunden und im Schrank versteckt. Später, im Frühjahr, wenn der Schnee weg war, würden ihr Vater und ihre Brüder die Aussteuer und die wenigen Habseligkeiten, die sie mitgebracht hatte, immer noch holen können. Und über diesen Gedanken und Plänen schlief Anna schließlich ein. Tief, traumlos und völlig erschöpft versank sie in das schwarze Nichts, das ihr Erholung und Vergessen hätte bieten können, wäre da nicht ein stärker werdendes Ziehen und Pochen gewesen, eine Unruhe, die sich langsam ankündigte und schließlich schlagartig von ihr Besitz ergriff.
    Ein dumpfer Schmerz durchzuckte ihren unteren Rücken, wie ein Messer durchschnitt er ihren Unterleib. Nachthemd und Bett waren bereits völlig durchnässt. Der Schmerz kam und ging, das konnten nur die Wehen sein! Ihr Bauch zog sich immer wieder ganz fest zusammen, kurze Zeit später entspannte er sich dann. Nur ganz langsam gelang es ihr, aufzustehen, aber schon nach wenigen Augenblicken musste sie sich wieder setzen. Der Druck nach unten, den sie in aufgerichteter Lage verspürte, war einfach zu groß. Ganz langsam ließ sie sich auf ihre Knie nieder, kroch und rutschte, so gut es ging, zur Kammertür und entriegelte sie unter größter Anstrengung, da sie sich dafür nach oben strecken musste. Dann ging es wieder auf allen vieren weiter quer über den Gang zum Zimmer, das dem ihren gegenüberlag. Gott sei Dank, die Tür war nicht verschlossen, und so schleppte sie sich mit letzter Kraft an Burgels Bett, ein schmerzverzerrtes Ächzen war alles, wozu sie statt eines Hilferufs noch in der Lage war. Stöhnend rüttelte sie an der Schulter ihrer tief schlafenden Schwägerin, im Zimmer nebenan schnarchten Walli und der alte Gundler um die Wette.
    »Leise, Burgel, sei leise«, bat Anna flüsternd, als ihre Schwägerin schlaftrunken fragte, was los sei. »Ich glaube, das Kind kommt.«
    Burgel war schlagartig hellwach. »Aber ich habe so etwas doch bisher nur bei unserem Vieh

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