Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herrgottswinkel

Herrgottswinkel

Titel: Herrgottswinkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramona Ziegler
Vom Netzwerk:
schlechtes Gewissen gehabt, da sie nur wenig Zeit für mich erübrigen konnten, ständig waren sie damit beschäftigt gewesen, das nötige Geld zu verdienen.
    Die Berganna hatte sicher auch nicht viel Zeit zum Grübeln gehabt. Ihre Tage waren von früh bis spät ausgefüllt gewesen mit schwerer Arbeit. Ich hingegen besaß eine Waschmaschine, Spülmaschine, Bügelmaschine und einen Staubsauger, und zweimal in der Woche kam sogar eine Putzhilfe – da gab es schon Momente, in denen ich mir dann viel zu viele Gedanken über das schwierige Verhältnis zu Agnes und Eberhart machte.
    Mit diesen Gedanken im Kopf traf ich schließlich zu Hause ein. Schon von draußen sah ich, dass im Bad Licht brannte. Als ich die Haustür aufschloss, knisterte das Feuer behaglich im Kachelofen. Ich lief mit den Kindern die Treppe ins Bad hinauf, wo Franz gerade Wasser in die Wanne laufen ließ. Susanne plantschte schon fröhlich im Schaum, und auch Jonas und Lukas konnte es gar nicht schnell genug gehen, in das warme Nass zu kommen. Ich stellte mich unter die Dusche, und Franz wusch den Kindern die Haare.
    »War es schön bei Tante Rosel?«, fragte er seine beiden Buben.
    »Ich will auch eine Katze«, meinte Jonas nur, woraufhin sich Susanne eifersüchtig beschwerte, dass sie nicht zu Tante Rosel hatte mitkommen können.
    Dann gingen wir in die Küche und aßen Abendbrot, anschließend brachten wir die Kinder zu Bett.
    Nach der Nacht bei Tante Rosel lag auch ich kurz darauf wieder in meinem eigenen Bett. Es war gerade mal zwei Abende her, seit ich den größten Streit mit Franz gehabt und mich im Schnee großer Gefahr ausgesetzt hatte. Der Besuch bei Tante Rosel und ihre Geschichte über die Berganna waren Balsam für meine Seele gewesen, auch wenn sich an den schlimmen Dingen in meinem Leben nichts Grundlegendes geändert hatte. Zumindest war der Besuch hilfreich gewesen, um mich in meiner Entscheidung zu bestärken, dass ich um und für meine Familie kämpfen wollte. Und ich wusste, dass ich dafür bald wieder Kraft brauchen würde, denn bis zum nächsten Besuch bei Eberhart war es nicht mehr lange hin. Daran hatte Franz mich beim Abendessen erinnert.
    »Julia, ich weiß, dass dir das nicht gefallen wird, aber ich kann nicht allein auf Eberharts Geburtstag auftauchen. Die Hetze gegen dich würde deswegen nicht verstummen, ich würde sie nur allein aushalten müssen. Wenn du mitkommst, kann ich wenigstens zeigen, dass wir zusammengehören. Das wolltest du doch vorgestern von mir, ein Zeichen ihnen gegenüber, dass ich zu dir stehe, oder?«
    »Das deutlichste Zeichen, das du geben könntest, wäre, dass wir beide nicht mehr hingehen! Ich verkrafte diese Besuche nicht, du hast doch gesehen, wie es mir das letzte Mal danach ging«, erwiderte ich. »Es kostet mich jedes Mal mehr an Überwindung, inzwischen habe ich richtige Panikanfälle, wenn es wieder so weit ist.«
    »Er bleibt trotzdem mein Bruder. Überleg es dir, ob du mitkommst, denn ich werde zu ihm gehen, auch wenn ich es allein tun muss. So selten, wie ich ihn besuche, habe ich sowieso schon ein schlechtes Gewissen«, beendete er lapidar unsere Essensunterhaltung. Wie konnte er in dieser Auseinandersetzung nur immer wieder so gelassen bleiben, fragte ich mich. Auch jetzt hörte ich ihn bereits ruhig und tief atmen, er war eingeschlafen. Ich jedoch fand wiederum keine Ruhe. Zu sehr war ich aufgewühlt. Ich wollte endlich verstehen, was hinter den ständigen ordinären Beschimpfungen und all der Verachtung von Agnes und Eberhart steckte. Sollte nun deshalb auch noch unsere Ehe in Gefahr sein? Ruhelos wälzte ich mich von einer auf die andere Seite und dachte daran, wie verheißungsvoll alles einmal begonnen hatte.

MIT FÜNFZEHN HATTE ICH MEINE LEIDENSCHAFT FÜR die Berge entdeckt. Zu Hause war es kaum noch auszuhalten, meine Eltern zankten sich ständig, und in der Natur fand ich meine Ruhe. Da ich in diesem Alter eher eine Einzelgängerin war, zog ich es vor, allein loszuziehen und mich beim Klettern im Fels auszuprobieren. Mein Vater hatte mir diese Ausflüge eigentlich verboten, da er jedes Mal große Ängste um mich ausstand, wenn ich so fernab jeder Hilfe alleine unterwegs war. Aus Trotz war ich häufig schon Freitagnachmittag einfach verschwunden, meine Eltern fanden dann nur einen Zettel auf dem Küchentisch vor, dass ich erst Sonntagabend wieder zurück zu sein gedachte. Manchmal begegnete ich zufällig anderen, mit denen ich dann den geplanten Gipfel bestieg. Auch das

Weitere Kostenlose Bücher