Herrin auf Kimbara
Bank und sah sie durch. Sie war an diesem Tag eingeflogen worden, und Wally hatte sie hergebracht. Wally war Halbaborigine und ehemaliger Farmarbeiter, doch nach einem schweren Beinbruch bei einem Sturz vom Pferd kümmerte er sich nun um die alltäglichen Dinge wie die Post und den Gemüsegarten. Außerdem war er mittlerweile ein passabler Koch.
Nur ein Brief fiel Brod ins Auge, und irgendwie hatte er damit gerechnet. Er riss den Umschlag auf und lächelte grimmig, als er den Inhalt las. Warum hätte sein Vater sich auch direkt mit ihm in Verbindung setzen sollen? Kein »Lieber Brod«, keine Frage, wie es ihm gehe. Sein Vater lud zu einem Polowochenende am Monatsende, also in zehn Tagen ein, mit dem er Miss Hunt beeindrucken wollte.
Die Spiele begannen am Samstagmorgen und endeten am Nachmittag, und abends fand im großen Ballsaal ein Galaball statt.
Sein Vater würde natürlich das Team anführen, das aus den besten Spielern bestand. Er, Brod, durfte das andere Team anführen. Sein Vater sah es überhaupt nicht gern, dass sein Sohn so verdammt gut war, auch wenn er ein bisschen wild war. Eigentlich betrachtete er ihn überhaupt nicht als seinen Sohn, sondern sah vielmehr einen Rivalen in ihm, seit er erwachsen war. Es war alles so absurd. Kein Wunder, dass Ally und er, Brod, bleibende Narben zurückbehalten hatten. Aber sie hatten sich beide damit auseinander gesetzt.
Ihre Mutter war weggelaufen, als er neun und Ally vier gewesen war. Wie hatte sie ihnen das antun können? Nicht, dass er und Ally es mit der Zeit nicht verstanden hatten.
Mit seinen Launen, seiner unerträglichen Arroganz, seiner Gefühlskälte und seiner scharfen Zunge hatte ihr Vater sie wohl dazu getrieben. Vielleicht hätte sie tatsächlich um das Sorgerecht für sie gekämpft, wie sie angekündigt hatte, doch weniger als ein Jahr später war sie bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Er, Brod, erinnerte sich noch genau an den Tag, an dem sein Vater ihn in sein Arbeitszimmer gerufen hatte, um ihm von dem Unfall zu erzählen.
»Niemand kommt von mir los«, hatte Stewart Kinross kalt lächelnd erklärt.
Verzweifelt schüttelte Brod den Kopf. Wenigstens hatten er und Ally Grandfather Kinross gehabt. Zumindest eine Zeit lang. Er war der beste Mensch gewesen, den sie kannten.
»Du hast das Herz und den Kampfgeist deines Großvaters«, hatte Sir Jock McTavish, einer der engsten Freunde seines Großvaters, einmal zu ihm gesagt. »Ich weiß, dass du in seine Fußstapfen treten wirst.«
Jock McTavish hatte eine gute Menschenkenntnis. Bei den vielen Auseinandersetzungen mit seinem Vater hatte er, Brod, versucht, an Sir Jocks Worte zu denken. Es war nicht einfach gewesen, denn sein Vater hatte immer versucht, ihn zu zermürben.
Brod seufzte und schob den Brief in die Tasche seiner Jeans. Er hatte keine Lust, die weite Reise nach Kimbara zu machen, das im Channel Country, dem Land der Kanäle, im äußersten Südwesten von Queensland lag. Außerdem war er viel zu beschäftigt. Wenn er hinfuhr, musste er fliegen. Und da sein Vater ihm nicht angeboten hatte, ihn mit der Beech Baron abholen zu lassen, würde er wie sonst auch die Camerons anrufen müssen.
Er war mit Rafe und Grant Cameron aufgewachsen. Die Geschichte der Familien Kinross und Cameron war die Geschichte des Outback. Es waren ihre schottischen Vorfahren gewesen, selbst dicke Freunde von Kindesbei-nen an, die sich damals hier niedergelassen und sich zu Viehbaronen emporgearbeitet hatten.
Plötzlich war Brod frustriert. Er erinnerte sich noch genau daran, als Ally zu ihm gekommen war und ihm gesagt hatte, sie könne Rafe nicht heiraten und würde weggehen, um zu sich selbst zu finden.
»Aber du liebst ihn, verdammt!« hatte er ungläubig eingewandt. »Und er ist ganz verrückt nach dir.«
»Ich liebe ihn über alles«, erwiderte sie und wischte sich die Tränen von den Wangen. »Aber du weißt nicht, wie das ist, Brod. Alle Mädchen verlieben sich in dich, doch du empfindest nichts für sie. Und Rafe erdrückt mich mit seiner Liebe.«
»Er ist also stark? Er ist ganz anders als unser Vater, falls du dir darüber Sorgen machst. Er ist ein prima Kerl.
Was ist in dich gefahren, Ally? Rafe ist mein bester Freund.
Unsere Familien stehen sich sehr nahe, und wir dachten, deine Ehe mit Rafe würde sie endgültig miteinander verbinden. Selbst unser Vater denkt, es wäre eine gute Partie.«
»Ich kann ihn nicht heiraten«, beharrte Ally. »Noch nicht. Ich muss erst einmal eine Menge über
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