Herrin auf Kimbara
plötzlich nicht mehr ganz so vornehm wirkte.
»Dann verzeihe ich ihm«, hatte sie zuckersüß erklärt, obwohl ihr das Atmen immer noch schwer gefallen war.
Sie brauchte ihren Seelenfrieden und würde ihn mit allen Mitteln verteidigen. Und Broderick Kinross konnte den Seelenfrieden einer Frau ernsthaft gefährden.
An dem Samstag, als das Poloturnier stattfinden sollte, wachte Fee spät auf und war sehr müde, weil sie zu wenig geschlafen hatte. Sie drehte sich auf den Rücken und schob die Augenmaske hoch. Da sie so lange in England gelebt hatte, hatte sie fast vergessen, wie hell die Sonne in ihrem Heimatland schien. Jetzt benutzte sie die Schlafmaske, wenn das Licht zu hell in ihr Schlafzimmer fiel.
In letzter Zeit litt sie an chronischer Schlaflosigkeit, und nichts schien dagegen zu helfen. Sie hatte es mit starken Schlaftabletten versucht, aber sie verabscheute Medikamente und bevorzugte homöopathische Mittel oder Entspannungsmethoden nicht, dass sie sich je gut hatte entspannen können. Sie hatte zu viel Adrenalin im Blut.
Sie war viel zu oft viel zu spät ins Bett gegangen. Sie hatte zu viele Liebhaber gehabt. Sie hatte nach den Aufführungen zu viele Partys gefeiert. Sie hatte an zu vielen gesell-schaftlichen Ereignissen teilgenommen. Sie hatte gehofft, endlich abschalten zu können, wenn sie nach Hause zurückkehrte, doch das war nicht der Fall.
Natürlich hatte sie sich mit Stewart nie verstanden, weder als Kind noch jetzt. Stewart war schon immer so von sich eingenommen gewesen. Da sie es satt gehabt hatte, die zweite Geige zu spielen, war sie nach England gegangen. Natürlich hatte ihr geliebter Dad, Sir Andy, versucht, sie davon abzuhalten, weil er seine kleine Prinzessin nicht verlieren wollte, aber irgendwann hatte er ihre hysterischen Anfälle nicht mehr ertragen und sie weggeschickt. Er hatte sie finanziell unterstützt, so dass sie während ihres Schauspielstudiums ein standesgemäßes Leben hatte führen können. Und ihre steile Karriere hatte sie ihrer Schönheit, die sie sich selbst mit sechzig bewahrt hatte, viel Glück, dem Selbstvertrauen, das für die Familie Kinross typisch war, einer kräftigen Stimme und viel Talent zu verdanken.
Was ihr momentan zu schaffen machte, war die überaus heikle Situation mit Stewart und Rebecca. Sie, Fee, hatte zwar genug Männer kennen gelernt, die sich mit wesentlich jüngeren Frauen schmückten, doch sie war alles andere als glücklich über sein Interesse an dieser jungen Frau, die sie so ins Herz geschlossen hatte. Von dem großen Altersunterschied einmal abgesehen, hätte sie Rebecca gern vor dem routinierten Charme ihres Bruders gewarnt. Wie konnte ein junger Mensch, noch dazu eine fast Fremde, wissen, was sich hinter seinem selbstsicheren Äußeren verbarg? Kein Wunder, dass die kleine Lucille, ihre mittlerweile verstorbene Schwägerin, weggelaufen war.
Irgendwann hatte die sanftmütige Lucille sich nicht mehr gegen Stewart behaupten können.
Und dann war da die Art, wie Stewart seine Kinder behandelt hatte, vor allem Broderick, der die wunderschö-
nen Augen von seiner Mutter geerbt hatte, obwohl er eindeutig ein Kinross war. Sir Andy hatte ihr oft von seinen Sorgen geschrieben, und sie, Fee, hatte selbst erlebt, wie kalt Stewart seinen Kindern gegenüber war, wenn sie nach Hause gekommen war. Damals hatte ihr Liebling Sir Andy noch gelebt. Sie liebte Kimbara zwar sehr, doch sie war nur hier, weil Stewart sie zu überreden versuchte, ihre Anteile an diversen Familienunternehmen zu verkaufen. Es gab viele Familienangelegenheiten zu besprechen.
Seltsamerweise war Stewart derjenige gewesen, der angeregt hatte, eine Biografie zu schreiben. Er hatte sogar eine mögliche Autorin vorgeschlagen. Eine junge Journalistin namens Rebecca Hunt, Verfasserin einer erfolgrei-chen, preisgekrönten Biografie über eine andere Freundin der Familie, die Opernsängerin Judy Thomas – Dame Judy. Er hatte das Buch gelesen und war beeindruckt gewesen. Er hatte sogar ein Interview mit der jungen Hunt im Kulturprogramm am Sonntagnachmittag gesehen.
»Lad sie hierher ein, Fee«, hatte er sie gedrängt und ihr die Hand auf die Schulter gelegt. »Und sei es nur, um herauszufinden, ob ihr beide euch versteht. Schließlich blickst du auf eine steile Karriere zurück, meine Liebe. Du hast etwas zu sagen.«
Und sie war darauf hereingefallen. Sie hatte die Augen vor der Vergangenheit verschlossen, denn sie hatte sich durch sein Interesse geschmeichelt gefühlt und
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