Herrin der Falken - 3
anvertraut. Wie weit, fragte sie sich, hatte sich die skandalöse Nachricht verbreitet, daß der Sohn des MacAran sich mit seiner Familie entzweit hatte und in einen Turm geflohen war?
»Romilly«, sagte ihr Vater, »solltest du nicht bei Mistress Calinda im Schulzimmer sein?«
»Du hast mir zu meinem Geburtstag einen freien Tag versprochen«, erinnerte Romilly ihre Stiefmutter, und Luciella erwiderte ungeschickt: »Nun ja, da ich es versprochen habe – ich vermute, du wirst die Zeit mit deinem Bruder verbringen wollen. Dann geh nur, wenn du möchtest.«
Romilly lächelte ihren Bruder an. »Ich würde dir gern meinen neuen Verrin-Falken zeigen.«
»Romilly hat ihn selbst abgetragen«, platzte Rael heraus, doch der MacAran runzelte die Stirn. »Als Davin krank war, blieb sie die ganze Nacht bei dem Falken, bis er kröpfte, und der Falkenmeister sagt, Vater selbst hätte es nicht besser machen können.«
»Aye«, brummte der MacAran, »deine Schwester hat getan, was du nicht tun würdest, Junge. Du solltest bei ihr Unterricht in Geschicklichkeit und Mut nehmen! Ich wünschte, sie wäre der Junge und du das Mädchen. Dann könntest du Röcke um die Knie tragen und den Tag mit Kritzeln und Sticken im Haus verbringen.«
Darren errötete bis an die Haarwurzeln. »Verspotte mich nicht vor meinem Freund, Vater. Ich werde tun, was ich kann, das gelobe ich dir. Aber ich bin, wie die Götter mich gemacht haben, und kein anderer. Ein Rabbithorn kann kein Streitroß sein und würde nur verlacht werden, wenn es das versuchte.“
»Lernt ihr so etwas bei den verdammten Mönchen?“
»Sie lehrten mich, daß ich bin, was ich bin«, erwiderte Darren. Romilly sah Tränen in seinen Augen glitzern. »Und doch bin ich auf dein Geheiß hier, Vater, um mein armseliges Bestes für dich zu tun.« So deutlich, als sei der verbotene Name ausgesprochen worden, hörte Romilly: Es ist nicht mein Fehler, daß ich nicht Ruyven bin. Auch bin ich nicht daran schuld, daß er von hier fortging.
Der MacAran schob sein kantiges Kinn vor, und Romilly erkannte, daß auch er diese Worte gehört hatte. Er knurrte: »Geh mit deinem Bruder ins Falkenhaus, Romy, und zeig ihm deinen Falken. Vielleicht beschämt es ihn so, daß er sich Mühe gibt, ebensoviel zu leisten wie ein Mädchen.“
Darren öffnete den Mund zum Sprechen. Aber Romilly knuffte ihm in die Rippen. Gehen wir, solange wir es noch können, bevor er Schlimmeres sagt, hieß das. Mit erstickter Stimme stieß Darren hervor: »Komm mit, Alderic, wenn Falken dich nicht langweilen.« Alderic murmelte eine höfliche Unverbindlichkeit, verbeugte sich vor dem MacAran und Lady Luciella und stieg mit Romilly und Darren die Treppe hinab.
Seit ein paar Tagen hatte Preciosas Block Platz zwischen den bereits abgetragenen Falken gefunden. Mit ruhigen Bewegungen streifte Romilly den Handschuh über und nahm den Vogel auf. Dann kehrte sie zu den beiden jungen Männern zurück.
»Das ist Preciosa«, stellte sie stolz vor und fragte Darren: »Würdest du sie einen Augenblick halten, während ich Federspiel und Leinen hole? Sie muß lernen, Hand und Stimme eines anderen zu ertragen.«
Sie ging auf ihn zu, und Darren zuckte erschrocken zurück. Romilly spürte, wie seine Furcht in dem Vogelgehirn widerhallte. Sie wandte ihre Aufmerksamkeit Preciosa zu und streichelte sie beschwichtigend mit der Spinnfeder. Ohne Vorwurf, aber so konzentriert auf ihr Tun, daß ihr nicht klar war, wie ihre Worte aufgefaßt werden konnten, sagte sie: »Bewege dich in der Nähe eines Falken nie so schnell – das solltest du wissen! Du erschrickst sie; man könnte glauben, du hättest Angst vor ihr!«
»Es ist nur«, ich bin nicht daran gewöhnt, so dicht bei etwas so Großem und Wildem zu sein.« Darren biß sich auf die Lippe. »Wild? Preciosa? Sie ist doch zutraulich wie ein Hündchen«, meinte Romilly ungläubig. Sie winkte dem Jungen des Falkenmeisters. »Bring mir die Federspiele, Ker«, und als er sie brachte, prüfte sie die Atzung, runzelte die Stirn und rümpfte die Nase.
»Das da gibst du den anderen Falken? Hältst du sie für Aasfresser? Ein Hund würde sich davon angeekelt abwenden! Ich habe angeordnet, daß Preciosa frisch getötetes Fleisch haben soll, Mäuse, wenn nichts Besseres in der Küche zu finden ist, bloß kein so altes und stinkendes Zeug wie das hier.«
»Es ist das, was Davin für die Vögel beiseite gelegt hat, Mistress Romilly.«
Schon wollte Romilly ihn schelten, wie er es verdiente. Doch bevor ein Wort über
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