Herrin der Falken
gegeben und waren freundlich zu mir. Als wir durch eine Stadt kamen, hat mir eine von ihnen sogar Kuchen und Süßigkeiten gekauft, und eine lieh mir ihren Falken, damit ich, wenn ich wollte, frische Vögel für mein Abendessen fangen konnte. Das ist die mit dem Falken«, setzte er hinzu, ließ die Hände seines Vaters los und zog Romilly nach vorn. »Sie ist meine Freundin. Ihr Name ist Romilly.«
Und so stand Romilly endlich dem Hastur-Lord von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Er machte den Eindruck, als verliere er niemals für eine Sekunde die Herrschaft über seine Miene. Sein Kinn wirkte entschlossen; seine Augen, grau unter hellen Wimpern, schienen verkappt wie die eines Falken zu sein. »Ich bin Euch dankbar dafür, daß Ihr gut zu meinem Sohn gewesen seid«, sagte Lyondri Hastur. Seine Stimme klang ruhig, neutral, gleichmütig. »Ich glaubte ihn in Nevarsin außer Reichweite des Krieges, aber zweifellos haben Carolins Männer es für eine gute Idee gehalten, ihn als Geisel zu nehmen.“
»Es war nicht Romillys Idee, Vater«, fiel Caryl ein. Romilly erkannte, daß er den Gedanken, ob er seinem Vater erzählen solle, wie böse Orain darüber gewesen war, verworfen hatte. Es war nicht der richtige Zeitpunkt, Orains Namen überhaupt zu erwähnen. Und als sich das Kinn des Hastur-Lords fast unmerklich vorschob, wußte sie, er hatte genau gehört, was sein Sohn nicht ausgesprochen hatte, und seine Stimme schien ganz weit entfernt und geisterhaft in Romillys Kopf zu sagen: Noch eine Kerbe gegen Orain, der mein geschworener Mann war, bevor er der Carolins wurde.
Ich sollte diese Frau als Geisel nehmen. Sie mag wissen, wo Orain steckt, und wo Orain ist, kann Carolin nicht weit sein. Aber diese Überlegungen empfing wieder der Junge, und er sah entsetzt zu seinem Vater auf. »Du hast dein Wort gegeben, das Wort eines Hastur«, flüsterte er. Romilly konnte beinahe sehen, wie das leuchtende Bild seines Vaters vor seinen Augen zersprang und fiel. Lyondri Hastur blickte von seinem Sohn zu der Frau. Mit scharfer, trockener Stimme fragte er: »Schwertfrau, wißt Ihr, wo Orain in diesem Augenblick reitet?“
Romilly hätte vor diesen harten Augen nicht lügen können; er hätte die Wahrheit schnell aus ihr herausgeholt. Erleichterung wallte in ihr auf, daß sie ihn nicht zu belügen brauchte. »Ich habe Orain zuletzt in Caer Donn gesehen, als er Caryl – Dom Carolin – in das Haus der Schwesternschaft brachte. Und das ist mehr als zehn Tage her. Vermutlich ist er inzwischen bei der Armee.« Obwohl sie es versuchte, konnte sie das Bild der vorbeimarschierenden Armee nicht ausschließen, das Banner der Hasturs, blau und silbern, und Orain, der an der Seite des hinter seinem Mantel verborgenen Königs ritt. Lyondri allerdings würde ihn nicht König, sondern Usurpator nennen…
Ich habe etwas versprochen, das ich nicht halten kann. Ich wußte nicht, welcher Art der Mann war, dem ich diente. Ich bin zu seinem Henker und seiner harten Hand geworden… Es war für Romilly ein Schock, als ihr klar wurde, daß sie diesen dünnen Gedankenfaden von dem Mann vor ihr empfing. Oder war es ganz anders, deutete sie nur die winzigen Bewegungen seiner Augen und seines Körpers, wie sie es bei den Tieren tat, und unterlegte sie ihnen Gedanken? Der Kontakt schuf ihr peinliches Unbehagen, und sie war froh, als er plötzlich abriß. Es war, als habe Lyondri Hastur gemerkt, was sich abspielte, und eine Barriere errichtet.
Ich habe mein ganzes Leben lang mehr oder weniger Gedanken gelesen. Warum stört und verwirrt es mich jetzt?
Mit ruhiger Förmlichkeit erklärte der Hastur-Lord: »Ich schulde Euch eine Belohnung für Eure Bemühungen um meinen Sohn, und ich werde Euch geben, was Ihr wollt, ausgenommen Waffen, die gegen mich in diesem ungerechten Krieg verwendet werden könnten. Nennt mir Eure Wünsche.“
Jandria hatte sie darauf vorbereitet. Sie erklärte bestimmt: »Ich soll um drei Säcke mit medizinischen Vorräten für die Häuser der Schwesternschaft bitten, Verbandsleinen, das Gelee, das das Verkrusten des Blutes fördert, und Karalla-Puder.“
»Diese Dinge könnte ich Waffen nennen, da sie zweifellos gebraucht werden, um solchen zu helfen, die bei der Rebellion gegen ihren König verwundet worden sind«, überlegte Lyondri Hastur laut. Dann zuckte er die Schultern. »Ihr sollt das alles haben. Ich werde meinem Haushofmeister die entsprechenden Befehle geben. Dazu bekommt Ihr ein Packtier, das die Säcke in Euer Lager
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