Herrin der Falken
große Hufe stampften den Mann wie Hämmer in den Boden. Romilly spürte, daß der Kopf des Mannes wie eine reife Frucht unter ihren Hufen – Sonnensterns Hufen – platzte, spürte Carolins Bemühungen, im Sattel das Gleichgewicht zu halten. Und dann tauchte noch ein Mann auf, Stahl blitzte, Carolin rutschte zurück und fiel. Ein scharfer Schmerz zerriß Romilly, als das Schwert durch Nacken und Kehle und Herz schnitt und Blut und Leben entwichen… Sie merkte nicht, daß sie auf dem Boden aufschlug. … Regen fiel, harter kalter Regen prasselte nieder. Der Boden schwamm, und sogar der Geruch des Haftfeuers war weggespült worden. Der Himmel war dunkel; es wurde bald Nacht. Romilly setzte sich benommen auf. Sie war sich nicht einmal voll bewußt, daß nicht sie von dem Schwert gefällt worden war. Sonnenstern! Automatisch suchte sie nach seinen Gedanken, und fand –
– fand nichts! Nichts als eine große Leere, wo er gewesen war. Sie sah sich panisch um und entdeckte, nicht weit entfernt, die Leiche des Hengstes mit beinahe abgetrenntem Kopf. Der Mann, der ihn getötet hatte, lag unter dem massigen Körper. Der Regen hatte das Blut abgewaschen, so daß nur eine große klaffende Wunde in seinem Hals sichtbar war, von der das Blut hervorgeströmt und den Boden rings um ihn durchtränkt hatte. Sonnenstern, Sonnenstern – tot, tot, tot! Wieder faßte sie wie betäubt in das Nichts. Sonnenstern, dessen Leben sie so lange geteilt hatte…
Und den sie verraten hatte, indem sie ihn in einen Krieg zwischen zwei Königen und in den Tod führte… keiner von ihnen ist eine Locke seiner schwarzen Mähne wert… ah, Sonnenstern… und ich bin mit dir gestorben… Romilly fühlte sich so leer und kalt, daß sie nicht sicher war, ob sie noch lebte. Sie hatte Geschichten von Männern gehört, die nicht wußten, daß sie tot waren, und weiter versuchten, sich mit den Lebenden in Verbindung zu setzen. Sie empfand nichts mehr außer Wut und Leid. Mühsam richtete sie sich auf. Um sie lagen die Leichen von Rakhals und von Carolins Männern. Aber von Carolin selbst gab es keine Spur. Nur der Körper Sonnensterns zeigte an, wo Carolin einmal gewesen war. Ohne echtes Interesse fragte sie sich, ob Carolins ganze Armee tot und Rakhal der Sieger sei. Oder hatte Orains Gruppe Rakhal gefangengenommen oder getötet? Was kam es darauf an?
Was kommt es darauf an, welcher große Schurke auf dem Thron sitzt…
Langsam fand sie sich ein bißchen zurecht. Wie nach der vorigen Schlacht kreisten über dem Feld die dunklen Gestalten der Kyorebni. Einer setzte sich mit einem harten Schrei auf Sonnensterns Kopf. Romilly rannte hin, schwang die Arme und rief laut. Der Vogel flog davon, aber er würde wiederkommen.
Sonnenstern ist tot. Und ich habe ihn mit meinen eigenen Händen für diesen Krieg ausgebildet, habe ihn dem einen überantwortet, der ihn in dies Gemetzel reiten würde. Und das edle Pferd zauderte nicht, es trug Carolin an diesen Ort und fand dabei den Tod. Es wäre besser gewesen, wenn ich ihn selbst getötet hätte, als er fröhlich über unsere grüne Koppel hinter dem Haus der Schwesternschaft lief. Dann hätte er niemals Feuer und Furcht und ein Schwert in seinem Herzen kennengelernt.
Dunkelheit senkte sich nieder, aber weit weg am Rand des Schlachtfeldes hüpfte ein Licht. Eine kleine Laterne wanderte umher. Leichenfledderer? Trauernde, die zwischen den Gefallenen suchten? Nein. Intuitiv erkannte Romilly, wer es war. Die Frauen der Schwesternschaft hielten Ausschau nach ihren gefallenen Kameradinnen, die nicht in ein gemeinsames Grab mit Carolins Soldaten gelegt werden durften. Als ob es die Toten kümmert, wo sie liegen…
Bald würden sie hier sein, würden sie für tot halten – als sie bei Sonnensterns Tod vom Pferd gefallen war, hatte man sie zweifellos als tot liegenlassen. Jetzt würden sie kommen, um sie zu begraben, sie am Leben finden und sich freuen…
Und dann wurde Romilly von großem Zorn überwältigt. Sie würden sie mitnehmen, Anspruch auf sie als eine von ihnen, als eine Kriegerin erheben. Sie war der Gesellschaft von Männern entflohen, sie war der Schwesternschaft beigetreten, und was hatten die Schwestern getan? Sie hatten sie dazu angestellt, Pferde auszubilden, nicht um der Pferde selbst willen oder damit sie lernten, dem Menschen zu dienen, sondern damit sie abgeschlachtet wurden, sinnlos abgeschlachtet in diesem Krieg, den die Menschen nicht fähig waren, unter sich selbst auszutragen, in den sie
Weitere Kostenlose Bücher