Herrin der Falken
Treppe hinauf. »Ich kann nicht gehen, wenn du dich so an mich hängst, Rael, lauf uns voraus!“
»Er hat dich vermißt«, sagte Romilly. »Und-« Sie hätte beinahe von ihrem älteren Bruder gesprochen. Aber damit hätte sie Familienangelegenheiten vor einem Fremden diskutiert. Ihr und Darren würde noch genug Zeit für vertrauliche Mitteilungen bleiben. Sie erreichten den Balkon, Darren wurde von Mallina umarmt, und Romilly blieb es überlassen, ihrem Vater Alderic von Castamir vorzustellen.
Der MacAran sagte mit ernster Höflichkeit: »Sei uns willkommen in unserm Heim, Junge. Ein Freund meines Sohnes wird hier als Freund aufgenommen. Bist du mit Valdrin Castamir von Hochhof verwandt? Wir dienten zusammen in der Leibgarde König Rafaels, bevor er heimtückisch ermordet wurde.“
»Nur entfernt, Sir«, antwortete Alderic. »Wißt Ihr nicht, daß Lord Valdrin tot ist und seine Burg ihm über dem Kopf mit Haftfeuer angezündet wurde, weil er Carolin auf seinem Weg ins Exil Zuflucht gewährte?«
Der MacAran schluckte sichtbar. »Valdrin tot? Wir waren Spielgefährten und Bredin«, sagte er. »Aber Valdrin war immer
ein Tor, wie jeder Mann ein Tor ist, der sich in die Angelegenheiten der Großen des Landes einmischt.«
Alderic erklärte steif: »Ich ehre das Andenken Lord Valdrins wegen seiner Loyalität gegenüber unserm rechtmäßigen König im Exil, Sir.«
»Ehre«, bemerkte der MacAran bitter, »Ehre ist weder dem Toten von Nutzen noch all seinen Angehörigen, die er in den Streit der Großen hineingezogen hat. Eine große Ehre muß es für seine Frau und die kleinen Kinder gewesen sein, zu sterben, indem ihnen das Fleisch von den Knochen gebrannt wurde. Als ob es mich oder sonst einen vernünftigen Mann etwas anginge, welcher große Esel den Thron mit seinem königlichen Hintern warmhält, während bessere Männer ihren Geschäften nachgehen!«
Romilly sah, daß Alderic eine scharfe Antwort auf der Zunge lag. Doch er verbeugte sich nur und blieb stumm; er wollte seinen Gastgeber nicht beleidigen. Mallina wurde Alderic vorgestellt und lächelte geziert zu ihm auf, während Romilly angewidert zusah. Bei allem, was Hosen trägt, dachte sie, wendet Mallina ihre törichten weiblichen Listen an, sogar bei diesem schäbigen politischen Flüchtling, den Darren in Nevarsin aufgelesen und zweifellos mitgebracht hat, damit der Junge ein paar gute Mahlzeiten erhält. Dürr ist er wie ein Rechen. In
Nevarsin erhalten sie sicher nur Brei aus Eicheln und kaltes
Wasser!
Mallina schwatzte immer noch auf den jungen Mann ein.
»Und die Leute von Storn-Höhe kommen, und die Söhne und
Töchter Aldarans von Scathfell, und während des ganzen Mittsommerfestes wird es Gesellschaften und Beizen und Jagden geben und einen großen Mittsommertanz.« Sie schlug die langbewimperten Augen zu Alderic auf und fragte: »Tanzt Ihr gern, Dom Alderic?«
»Ich habe seit meiner Kinderzeit nur wenig getanzt«, antwortete er, »nur die Stampftänze der Mönche und Novizen, wenn sie Mittwinter feiern – aber ich hoffe, daß Ihr es mich lehrt, Damisela.« Er verbeugte sich vor ihr und Romilly. Mallina zwitscherte: »Oh, Romilly tanzt nicht mit Männern! Sie ist mehr in den Ställen daheim und wird Euch wohl lieber ihre Falken und Hunde zeigen.«
»Mallina, geh zu deiner Unterrichtsstunde«, sagte Luciella mit einer Stimme, die deutlich verriet: Mit dir befasse ich mich später, junge Dame. »Ihr müßt verzeihen, Dom Alderic, sie ist nur ein mutwilliges Kind.«
Mallina brach in Tränen aus und rannte weg. Alderic lächelte Romilly zu. »Auch mir ist in der Gesellschaft von Falken und Pferden wohler als in der von Frauen. Gehört nicht eins der Pferde, das wir von Nevarsin mitgebracht haben, Euch?“
»Es gehörte«, Darren bemerkte das finstere Gesicht seines Vaters und berichtigte sich, »einem Verwandten von uns. Er ließ es in Nevarsin, um es wieder in unsere Hände gelangen zu lassen.« Aber Romilly fing den Blick auf, der zwischen Darren und Alderic gewechselt wurde. Also hatte ihr Bruder seinem Freund die ganze Geschichte anvertraut. Wie weit, fragte sie sich, hatte sich die skandalöse Nachricht verbreitet, daß der Sohn des MacAran sich mit seiner Familie entzweit hatte und in einen Turm geflohen war?
»Romilly«, sagte ihr Vater, »solltest du nicht bei Mistress Calinda im Schulzimmer sein?«
»Du hast mir zu meinem Geburtstag einen freien Tag versprochen«, erinnerte Romilly ihre Stiefmutter, und Luciella erwiderte
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