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Herrin der Falken

Titel: Herrin der Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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dunklen Ecke ganz hinten. Hatte Orain den Raum gar nicht verlassen und sich nur zurückgezogen? Mit wem sprach er da? Romilly hielt das Spiel in Gang. Unter Aufbietung aller Selbstbeherrschung gelang es ihr, sich nicht umzudrehen und nach der zweiten Gestalt auszuspähen, hochgewachsen und anmutig, das Gesicht von einer Kapuze überschattet, die sich leise Orain näherte. Aber als habe sie Augen im Hinterkopf, sah sie es, hörte das Flüstern… Ihr Rückgrat prickelte, und sie meinte jeden Augenblick, einen Aufschrei, Stimmen, Rufe zu vernehmen. Heiliger Lastenträger, dessen Tag heute ist, sag mir, wie bin ich in diese Machenschaften verwickelt worden, als sei es für mich von Interesse, welcher König auf dem Thron der Hali’imyn sitzt? Verdammt seien sie beide, der vertriebene König und der Usurpator. Warum sollte ein guter Mann wie Orain seinen Hals in die Schlinge stecken, weil dieser oder jener den Thron der Hasturs innehat? Wenn meinem Freund ein Leid geschieht, werde ich… Ja, was konnte sie tun? Anders als ihre Brüder verstand sie nichts vom Waffenhandwerk, sie war hilflos. Wenn ich heute nacht lebend davonkomme, schwor sie sich, werde ich Orain bitten, mir etwas von der Fechtkunst beizubringen. Aber sie lachte und rief: »Gut geworfen, peng ins Katzenauge!« und warf ihren eigenen Pfeil beinahe aufs Geratewohl. Zu ihrer Überraschung landete er nahe dem Schwarzen.
    »Trinkt aus, junger Mann«, sagte der Mann, der verloren hatte, und stellte einen Krug Wein vor sie hin. Romilly trank tollkühn. Der Kopf drehte sich ihr, und sie setzte den halbleeren Krug ab. Aber alle beobachteten sie, und gegen besseres Wissen trank sie ihn ganz aus.
    »Wollen wir noch ein Spiel machen? Ich bin an der Reihe zu gewinnen«, sagte einer der Männer, und sie zuckte die Schultern und überließ ihm den Pfeil. Im Nacken spürte sie dies kalte, stechende Prickeln. Es bedeutete immer, daß sie von jemandem, der sich nicht zeigte, beobachtet wurde. Was geht in diesem Raum vor sich? Verdammt seien diese Intrigen! Dann war Orain wieder da und schlug ihr auf die Schulter. »Aye, jetzt hast du den Kniff heraus. Einem alten Hund kannst du trotzdem noch nicht beibringen, wie man einen Knochen abnagt. Gib mir die Pfeile, Junge.« Er nahm die gefiederten Pfeile, wog sie auf der Hand, rief nach Wein für das ganze Lokal. Romilly sah das aufgeregte Glitzern in seinen Augen. Als das nächste Paar nach den Pfeilen griff, murmelte er ihr ins Ohr: »Bei der nächsten Runde müssen wir uns absetzen; ich habe eine Botschaft erhalten.«
    Sie nickte, um ihm zu zeigen, daß sie verstanden hatte. Gleich darauf wetterte Orain los: »Was in allen neun Höllen tust du da, Mann? Deine großen Latschen stehen zur Hälfte über dem Strich! Mit einem Betrüger werfe ich keine Pfeile, nicht einmal zu Mittwinter. Geschenke mache ich gern, aber betrügen lasse ich mich nicht um ein Glas Wein und nicht um ein Silberstück!« Wütend rempelte er den Mann an, der gerade werfen wollte. Der Mann fuhr herum und schwang die Fäuste. »Wen nennst du einen Betrüger, du Tiefland-Lümmel? Das Wort wirst du mit deinem nächsten Glas hinunterschlucken, oder ich ramme es dir in die Kehle.« Seine Faust stieß mit Orains Kinn zusammen, und Orains Kopf kippte knirschend nach hinten. Er taumelte gegen die Wand und drang unter wildem Gefuchtel wieder vor. Romilly warf ihren Pfeil. Er landete in der Hand des Mannes, der Orain schlagen wollte. Heulend drehte er sich um und kam mit gespreizten Fingern auf Romilly zu, als wolle er sie erwürgen. Sie wich aus, stolperte über ein Faß und fiel in das Sägemehl auf dem Boden. Orain packte sie und zog sie hoch.
    Der Wirt nahte sich mit finsterem Gesicht und trennte die Kämpfer mit rauhen Händen. »Hier gibt es keine Schlägerei, Freunde! Trinkt aus!«
    »Der dreckige kleine Bastard hat einen Pfeil nach mir geworfen!« Der Mann rollte seine Ärmel hoch und enthüllte ein rotes Mal.
    »Bist du ein Säugling, daß du wegen eines Bienenstichs heulst?« fragte Orain, und der Wirt schob sie auseinander. »Setzt euch! Alle beide! Die Strafe für eine Schlägerei ist eine Lokalrunde, von jedem von euch!«
    Mit gespieltem Widerstreben zog Orain sein Börse und warf ein Kupferstück auf die Theke. »Trinkt und seid verdammt, und ich hoffe, ihr erstickt alle daran! Wir wollen uns einen ruhigeren Ort zum Trinken suchen!« knurrte er, faßte Romillys Ellenbogen und steuerte im Zickzack auf die Tür zu. Draußen richtete er sich auf und

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