Herrin der Falken
Heimweh bei dem Duft des frischgebakkenen Gewürzbrots. Luciella buk es immer selbst. Sie sagte, den Dienstboten solle zu dieser Jahreszeit nicht noch zusätzliche Arbeit aufgebürdet werden. Fast bedauerte Romilly es, ihr Zuhause verlassen zu haben. Aber dann fiel ihr ein, daß sie das Fest auf keinen Fall daheim verbracht hätte, sondern in Scathfell als Frau von Dom Garris – und mittlerweile sähe sie aus wie Darissa, schwanger mit ihrem ersten Kind, dick und häßlich! Nein, lieber war sie hier. Sie wünschte sich nur, sie könnte Rael ein Geschenk schicken oder ihm diese herrlichen Auslagen zeigen.
Als sie am Tag vor dem Fest erwachte, blies der Wind Schnee durch die Ritzen des Stalles, in dem sie schlief, doch ihr war in dem hochaufgeschichteten Heu warm. Vom Wall um die Welt heulte ein Mittwintersturm heran. Auf dem Hof des Klosters lag der frische Pulverschnee knietief. Romilly zog beide Paar Strümpfe und eine zusätzliche Jacke an. Trotzdem zitterte sie, als sie hinausging, um sich am Brunnen zu waschen. Die kleinen Novizen und Studenten liefen jedoch barfuß durch den Schnee, und sie staunte darüber, daß sie dabei lachten und schwatzten und sich mit Schneebällen bewarfen. Sie sahen rosig und warm aus, während ihre eigenen Hände blau vor Kälte waren.
Sie ging in den Stall der Reittiere und blieb bestürzt stehen. Dom Carlos Pferd war nicht da! War es gestohlen worden?
Oder war Dom Carlo in diesem Unwetter ausgeritten? Es schneite immer noch. Hin und wieder rieselten Schneeflocken von dem überbürdeten Himmel. Gerade warf sie den Tieren ein paar Gabeln duftendes Heu vor, als Orain hereinkam.
»Dom Carlos Pferd –«, platze sie heraus.
»Still, Junge«, sagte er mit leiser Stimme. »Nicht einmal vor
den Männern! Sein Leben könnte in deinen Händen liegen. Nicht ein Wort!«
Romilly nickte, und er fuhr fort: »Guter Junge. Komm heute mittag mit mir in die Stadt. Wer weiß, vielleicht habe ich ein Mittwintergeschenk für dich, der du fern von Heim und Familie bist.« Es war, als habe er ihre Gedanken gelesen. Romilly wandte sich ab. »Ich erwarte keine Geschenke, Sir«, erklärte sie steif. Was wußte er, was hatte er erraten? Aber er grinste nur.
»Vergiß es nicht, heute mittag!« Damit ging er.
Mittags versuchte Romilly im tiefen Schnee, die Kundschaftervögel vor der Atzung dazu zu bringen, ein bißchen zu fliegen; sie bekamen bei diesem Wetter viel zuwenig Bewegung. Als sie ihnen die Leinen anlegte, kreischten sie rebellisch. Der immer noch fallende Schnee paßte ihnen gar nicht. Auf den Pflastersteinen lag der Schnee so hoch, daß er Romilly über die Stiefelschäfte reichte und auf den Innenseiten niedertröpfelte. Ihre Füße waren kalt und ihre Finger steif. Ihr war recht verdrießlich zumute, und nicht einmal das fröhliche Gesicht des kleinen Caryl vermochte ihre Stimmung zu heben. Sie dachte: Bei diesem Wetter wäre es ganz angenehm, als Dame am Feuer zu sitzen und nichts weiter zu tun zu haben, als zu sticken und Gewürzbrot zu backen! Caryl trug nur ein ärmelloses dünnes Jäckchen und stand barfuß im Schnee. Brummig fragte Romilly: »Frierst du nicht?«
Lachend schüttelte er den Kopf. »Als erstes bringen uns die Mönche bei, wie wir uns von innen erwärmen, durchs Atmen. Einige der älteren Mönche können sogar im Wasser des Brunnens baden und dann ihre Kleider durch die Körperwärme trocknen. Das ist jedoch ein bißchen mehr, als ich mir zutrauen würde. Die ersten zehn Tage, bevor ich es gelernt hatte, war mir kalt, danach nie mehr. Armer Rumal, du frierst – ich wollte, ich könnte es dich lehren.« Er streckte den Arm nach Prudentia aus und sagte ernsthaft: »Komm, Vögelchen, du mußt fliegen. Ich weiß, du magst den Schnee nicht, aber es ist nicht gut für dich, wenn du die ganze Zeit auf deiner Reck sitzt. Deine Flügel sollen doch nicht schwach werden.“
Prudentia hob ab und kreiste am Ende der Leine. Caryl warf das Federspiel und beobachtete, wie sie niederstürzte. »Sieh nur, es macht ihr Spaß, damit zu spielen, sogar im Schnee! Sieh dir das nur an!«
»Du bist glücklich«, sagte Romilly sauer. »Gefällt dir der Sturm so gut?«
»Nein, ich wäre gern draußen, aber bei diesem Wetter muß ich drinnen bleiben, und der Fechtmeister kann nicht kommen, so daß ich eine Unterrichtsstunde versäume«, antwortete der Junge. »Aber ich freue mich, weil morgen Feiertag ist und mein Vater mich besuchen kommt. Mir fehlen mein Vater und meine Brüder,
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