Herrin der Falken
schlug er ein abergläubisches Zeichen. Dann sagte er: »Also hast du Laran? Das dachte ich mir. Aye, dieser Gürtel ist seit einer ganzen Reihe von Jahren ein ständiger Witz zwischen uns. Ich will die Männer wecken. Beeile dich, so sehr du kannst.«
Romilly stellte fest, daß ihre Hände ganz ruhig waren. Sie sattelte die Reittiere, hüllte sich – dankbar für das Pelzfutter – in den Mantel, der Orains Mittwintergeschenk war, stopfte zwei Satteltaschen mit Korn und Futter für die Pferde und Chervines und einen weiteren mit der stinkenden Atzung der Kundschaftervögel voll. Sie verkappte sie – wenn sie versuchte, sie mitten in der Nacht ohne die Hauben fortzutragen, würden sie das ganze Kloster aufwecken; so waren sie wenigstens still. Die Blocks befestigte sie an ihrem, an Orains und an Alarics Sattel.
Als sie nach einer Weile aufblickte, sah sie Alaric neben sich arbeiten. »Irgendein Bastard hat uns verraten«, knurrte er, auf
das ferne Alarmläuten lauschend. Es kam jetzt näher und näher. »Sie durchsuchen die Stadt Haus für Haus. Wenn sie am Kloster angelangt sind, werden sie in jeden Winkel, jeder Mönchszelle, sogar in der Kapelle nachsehen! Was ist, Junge, du sitzt doch auf einem Stuhl mit Orain – werden wir sie am Tor niederreiten?«
»Ich sitze nicht mit im Rat«, erwiderte Romilly. »Aber es ist etwas von einem geheimen Tor im höchstgelegenen Teil gesagt worden.«
»Und während wir mit der Suche nach den Geheimwegen Zeit verschwenden, finden uns Lyondris Männer, und ich tanze an einem Strick?« fragte Alaric. Romilly erklärte ruhig: »Ich glaube nicht, daß Dom Carlo uns so im Stich lassen würde. Vertraut auf ihn.«
»Aye, aber letzten Endes ist der vai dom doch ein Hastur, und Blut ist dicker als Wein, heißt es…«, brummte Alaric. »Alaric!« Romilly fuhr zu ihm herum, so empört, daß sie nicht sprechen konnte. Dann gewann sie die Herrschaft über ihre Stimme zurück und sagte: »Ihr könnt doch wohl nicht annehmen, Carlo würde sich auf die Seite der Hastur-Lords gegen – nun, gegen uns und Orain stellen.«
»Na ja, nicht gegen Orain«, räumte er ein. »Leg den Sattel da auf, Junge. Wenn wir eine Chance haben – aber wie soll ich das wissen? Wahrscheinlich gehörst du selbst zu den Adligen…“
Er verstummte unsicher.
»Beeilt Euch mit dem Satteln und redet keinen Unsinn«, schimpfte Romilly. »Wollt Ihr bei diesem Kornsack mit anfassen? Ich kann ihn nicht allein heben.«
Er half ihr, einem Chervine den schweren Packen aufzuladen, und führte das Tier aus dem Stall. Eine Hand faßte ihren Arm mit hartem Griff. Ehe Romilly aufschreien konnte, erkannte sie selbst hier im Dunkeln, daß es Orain war.
»Hier entlang«, flüsterte er. Ja, das war seine Stimme. Vertrauensvoll ließ sich Romilly von ihm in den dunklen Gang führen. Sie hörte die Männer, die sich bemühten, leise zu sein. Nur hin und wieder knirschte und raschelte es. Irgendwer stieß sich den Zeh an einer Felswand und unterdrückte eine Obszönität. Dann erklang eine helle, kindliche Stimme.
»Mein Lord Orain.«
»Ah, du bist es, du Teufelsbrut.«
Von Caryl kam ein leises Quietschen. »Ich will Euch nichts Böses tun«, stieß er hervor. Romilly konnte im Dunkeln nichts sehen, schloß aber aus dem Schmerz in der dünnen Stimme, daß Orain ihn heftig gepackt hatte. »Ich wollte Euch doch nur zu dem Geheimweg führen. Ich will nicht, daß mein Vater Euch – den vai dom — findet. Er wird zornig sein, aber…«
»Laßt ihn los«, flüsterte Romilly. »Er sagt die Wahrheit.«
»Ah, ich verlasse mich auf dein Laran, Junge«, gab Orain zurück. Romilly hörte ein leises Stöhnen der Erleichterung. Er mußte das Kind aus seinem harten Griff entlassen haben. »Du kennst den Weg? Führe uns. Aber wenn du falsches Spiel mit uns treibst«, zischte Orain durch die Zähne, »stoße ich dir meinen Dolch in den Leib, auch wenn du nur ein Kind bist.«
Sie folgten Caryl durch einen engen Gang, rempelten in der Dunkelheit ihre Vordermänner an, und dazu gaben die Kundschaftervögel nervöse kreischende Laute von sich. Jemand fluchte vor sich hin, und Romilly sah Funken, die von Feuerstein und Stahl aufsprühten. Orain befahl scharf: »Mach das aus!« Das Licht verschwand, und dazu murrte und schimpfte irgendwer.
»Ruhe!« zischte Alaric. Danach war nichts mehr zu hören außer den Geräuschen, die die Tiere in den engen steinernen Gängen verursachten. An einer Stelle mußten sie im Gänsemarsch vorrücken,
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