Herrin der Lüge
in Mailand rausgeworfen. Mich und alle meine Männer. Haben dieses Weib dafür angeheuert. Berengaria! Ausgerechnet! Herrgott noch mal!« Er verdrehte die Augen. »Mir ist schlecht.« Er schaffte es gerade noch bis zur Uferkante, als ein neuer Schwall von Erbrochenem aus seinem Mund schoss und ins Wasser klatschte.
»Das hat doch keinen Zweck«, raunte Faun ungeduldig. Am liebsten hätte er den Säufer mit einem Tritt in die Lagune befördert.
Tiessa ging neben Zinder in die Hocke, legte ihm eine Hand auf den Rücken und fragte mitfühlend: »Ist es jetzt besser?«
»Gott nochmal … Ich hab mir in die Haare gekotzt.«
Ein Wiedersehen
Zwei Stunden später saßen sie sich im Schneidersitz gegenüber, auf dem sommerwarmen Pflaster unweit des großen Kanals. Die Abendsonne glitzerte auf dem Wasser. Boote zogen vorüber, winzige Segler und Kähne mit Ruderern. Möwen schnappten sich Fische und Abfall aus goldfarbenen Wogen.
»Zuletzt bin ich also nach Venedig gekommen«, beendete Zinder seinen Bericht und rieb sich zum hundertsten Mal die rotgeränderten Augen. Das beschmutzte Wams hatte er im Kanalwasser grob gereinigt, aber das änderte kaum etwas an dem Gestank. »Und ist es nicht eine wundervolle Stadt!«, rief er spöttisch. »Zugegeben, ich habe nicht viel davon gesehen, weil ich schon auf dem Weg hierher mit dem Trinken begonnen habe.«
Tiessa spielte nachdenklich mit Elegeabals Amulett. Wie eine Münze drehte sie den flachen Stierkopf zwischen den Fingern, bis sich das Lederband immer enger um ihren Hals wickelte und sie es rasch wieder auseinander schnellen ließ.
»Warum bist du ihnen überhaupt gefolgt?«, fragte Faun.
»Weiß der Teufel. Hatte nichts Besseres zu tun, schät ze ich.« Er wich Fauns Blick aus. »Die großen Schlachten finden im Moment weiter unten im Süden statt. Aber was soll ich mir für einen Kaiser den Schädel einschlagen lassen, den überhaupt niemand als Kaiser haben will?«
Tiessas Aufmerksamkeit schien noch immer vor allem dem Mithras-Anhänger zu gelten. »Du hast das Söldnerdasein satt«, stellte sie fest. »Manchmal ist das so. Das Leben, das man führt gefällt einem nicht mehr – und dann hört man einfach damit auf.«
Faun und Zinder sahen sie an, beide gleichermaßen erstaunt aber Tiessa blickte nicht von ihrem Amulett auf. Sie drehte es gedankenverloren zwischen den Fingern und zwirbelte dabei das Lederbändchen immer wieder auf und zusammen.
»Wie alt bist du?«, fragte Zinder.
»Das hat nichts mit Alter zu tun. Jeder kann Entscheidungen treffen. Dazu gehört nicht viel. Sieh her!« Sie ließ den Anhänger vor den Augen baumeln und schob ihn dann abrupt unter ihre Kleidung. »Eine Entscheidung. Ganz einfach.«
In seinem Zustand hatte Zinder sichtliche Mühe, ihren Gedankengängen zu folgen. Faun erging es nicht besser. Immer wenn er glaubte, er kenne sie endlich gut genug, tat sie etwas, das ihn aufs Neue verblüffte.
Der Söldner räusperte sich. »Viele Leute haben Dinge satt und tun sie trotzdem. Weil sie keine Wahl haben.« Er schüttelte resigniert den Kopf. »Ich hätte es genauso machen sollen wie die anderen. Hätte das verdammte Gold des Erzbischofs nehmen und verschwinden sollen. Stattdessen bin ich hier und hab alles versoffen, was ich noch hatte.«
Faun wollte das Gespräch wieder auf Saga lenken, aber Tiessa kam ihm zuvor. »Was hättest du denn gemacht, wenn sie dich mitgenommen hätten?« Aus irgendeinem Grund schien das Schicksal des Söldners sie zu beschäftigen. »Wirklich gegen die Sarazenen gekämpft?«
»Das hab ich mich auch gefragt.« Zinder musterte Tiessa mit einer Mischung aus Verwunderung und neuem Respekt. »Ich weiß darauf keine Antwort. Eigentlich wollte ich immer nur irgendwo ein Stück Land und ein Haus darauf. Naja, nicht immer. Aber seit mir die Haare ausgehen.«
»Schön und gut.« Faun brachte keine Geduld mehr auf für Zinders Leidensgeschichte. »Wir werden ihnen folgen, irgendwie.«
»Irgendwie!« Zinder lachte auf. »Hast du eine Ahnung, was zwei Überfahrten kosten? In Venedig? Schau dich doch um, hier wimmelt es nur so von Halsabschneidern.«
Faun schob trotzig das Kinn vor. »Wir brauchen nicht viel Platz, und wir können –«
»Die Venezianer haben vor sechs Jahren eines der größten Heere Europas übers Ohr gehauen, ihm die letzten Ersparnisse aus der Tasche gezogen und es dann in einen Krieg geschickt, den es nie führen wollte. Warum sollten sie da mit euch beiden zimperlicher sein?«
Faun biss
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