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Herrin der Lüge

Herrin der Lüge

Titel: Herrin der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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sich auf die Unterlippe und schwieg.
    »Wir haben nichts, das sie uns wegnehmen könnten«, sagte Tiessa sachlich. »Nur ein paar Münzen.«
    »Die meisten Leute hier werden euch nicht einmal anhören. Und der Rest – nun, dem solltet ihr besser aus dem Weg gehen, wenn ihr nicht auf irgendeinem Sklavenschiff enden wollt.« Er schüttelte den Kopf, seltsam träge, weil er noch immer unter der Wirkung seines Rausches litt. »Ich gebe euch beiden einen Rat, weil du, Junge, Sagas Bruder bist und ich deine Schwester gemocht habe. Wahrscheinlich ist es das Einzige, das euch irgendwer in dieser Stadt umsonst geben wird.« Er beugte sich vor, um seinen Worten mehr Gewicht zu verleihen. »Geht nicht zum Hafen. Sprecht mit niemandem. Kehrt einfach zurück, woher ihr gekommen seid.«
    »Saga wäre nicht umgekehrt«, sagte Faun. »Du kannst sie nicht besonders gut gekannt haben, sonst wüsstest du das. Sie und ich sind uns in vielem ähnlich.«
    »Verlass dich nicht darauf. Du könntest eine böse Überraschung erleben.«
    »Wie meinst du das?«
    »Das alles, dieser hirnverbrannte Kreuzzug, ist ihr Tun. Sie hat diesen Mädchen das Blaue vom Himmel versprochen, wenn sie Violante und ihr ins Heilige Land folgen. Ich weiß noch immer nicht, warum sie ihr geglaubt haben, aber das spielt auch keine Rolle mehr. Irgendwann ist es ganz von selbst passiert – sie musste überhaupt nichts mehr sagen, und die Mädchen strömten trotzdem aus allen Richtungen herbei. Was aber nichts daran ändert, dass sie die Schuld daran trägt. Ich habe gesagt, dass ich sie mag – und, bei Gott, das ist die Wahrheit! Aber das ändert nichts an dem, was sie ist und tut.«
    »Die Gräfin hat sie gezwungen!« Faun ballte die Fäuste. Er wollte das nicht hören, nichts von alldem.
    Zinder nickte ernst. »Saga hat das für dich getan, Junge. Jedenfalls am Anfang. Aber danach …« Er ließ seine Fingerknöchel knacken. »Es ist, als könnte sie nicht mehr aufhören, die Magdalena zu sein. Als hätte sie mit einem Mal Gefallen daran gefunden.«
    »Unsinn!«
    »Reise ihr nach. Frage sie. Ich würde gerne hören, welche Antwort sie dir dann gibt.«
    Faun sprang auf. »Ich muss mir das nicht anhören. Tiessa, komm mit.«
    »Du musst mich nicht mögen«, sagte Zinder, »und was ich über deine Schwester gesagt habe, kann dir von mir aus gestohlen bleiben. Aber höre auf das eine: Haltet euch von den Schiffen fern. Auf dem Meer könnt ihr vor niemandem davonlaufen.«
    »Danke für den Rat«, gab Faun kühl zurück. »Und für deinen Bericht.«
    Der Söldner winkte ab. »Ich hätte den Mund halten sollen. Jetzt wirst du dieses Mädchen hier erst recht ins Verderben führen.«
    »Dieses Mädchen hier«, sagte Tiessa betont, »weiß allein, was gut für sie ist.«
    »Sicher.« Zinder seufzte.
    Ein wenig milder sagte Faun: »Wir sind dir wirklich Dank schuldig, Zinder. Zumindest weiß ich jetzt, dass es Saga –« Beinahe hätte er gut geht gesagt, aber im letzten Moment verschluckte er den Rest des Satzes.
    »Viel Glück«, sagte Zinder und hob müde die Hand. Tiessa blieb stehen. »Was wirst du jetzt tun?« »Meinen Rausch ausschlafen«, sagte der Söldner achselzuckend. »Und dann werde ich weitersehen. Vermutlich.« »Faun nickte ihm zu. »Dann auch dir viel Glück.« Sie ließen Zinder allein mit seinen trüben Gedanken am Kanalufer sitzen und machten sich auf den Weg zu den Schiffen.
    Es war Abend geworden, als Faun endlich einsehen musste, dass Zinder Recht gehabt hatte. Sie waren zum Hafen gegangen, doch gleich bei ihrem ersten Versuch, sich nach einer Überfahrt ins Heilige Land zu erkundigen, waren sie kläglich gescheitert. Obgleich die Galeere, die sie sich ausgesucht hatten, eine Gruppe Mönche nach Akkon bringen sollte, schien es sich um alles andere als ein vertrauenswürdiges Schiff zu handeln. Die Mönche mochten sicher sein, weil sie zu alt waren, um mit ihnen einen guten Preis auf dem Sklavenmarkt zu erzielen; doch im Fall von Tiessa und Faun standen die Dinge anders. Insgeheim war Faun längst zu dem Schluss gekommen, dass es niemanden in diesem Hafen gab, dem er Tiessas Wohlergehen anvertrauen würde.
    Der Himmel über ihnen wölbte sich schwarz und sternenklar. Feuerbecken brannten an der Uferkante und spendeten flackerndes Licht für jene, die noch immer mit Ladearbeiten beschäftigt waren. Allmählich ließ der Trubel nach, immer mehr Seeleute verzogen sich unter Deck oder in die umliegenden Schänken des Hafenvie rtels.
    Plötzlich packte

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