Herrin der Stürme
Aldaran gewesen, ohne Nachrichten aus der Welt draußen. Was macht der Krieg?«
»Es ist alles beim alten«, sagte Ian-Mikhail, ein schlanker, dunkler, junger Mann mit gelocktem Haar. »Es gab das Gerücht, daß Alaric Ridenow, den sie den Rotfuchs nennen, getötet worden sei, aber es stellte sich als falsch heraus. König Regis ist schwer erkrankt. Prinz Felix hat den Rat einberufen. Sollte er sterben, wäre während der Krönung von Prinz Felix ein weiterer Waffenstillstand nötig – falls er jemals gekrönt werden sollte. Und von deiner eigenen Familie, Allart, kam die Nachricht, daß die Gattin deines Bruders in der ersten Dekade des Rosenmonats einen Sohn geboren hat. Dem Jungen geht es gut, aber Cassilde hat ihre Kräfte noch nicht wiedergewonnen und kann ihn nicht selbst nähren. Man fürchtet, daß sie sich nicht erholen wird. Aber der Junge ist zum Erben deines Bruders ernannt worden.«
»Den Göttern sei Dank. Evanda, die Gnadenreiche, möge über dem Kind lächeln.« Allart sagte den zeremoniellen Satz mit wirklicher Erleichterung.
Jetzt hatte Damon-Rafael einen legitimen Sohn. Es war keine Frage, daß der Rat einem legitimen Bruder den Vorzug vor einem Nedestro-Sohn gegeben hätte.
Und doch sah sich Allart in den auf ihn einstürmenden Möglichkeiten der Zukunft selbst in Thendara gekrönt. Ärgerlich versuchte er, die Tür vor seinem Laran und den unwillkommenen Möglichkeiten zuzuschlagen. Besitze ich etwa doch den Ehrgeiz meines Bruders?
»Und ich«, sagte Rosaura, »habe erst vor drei Tagen in den Verstärkern mit deiner Gattin gesprochen.«
Allarts Herz schien sich schmerzhaft zusammenzupressen. Cassandra! Wie lange war es her, seit er sich ihr Bild vorgestellt hatte? »Wie geht es ihr?«
»Sie scheint wohlauf und zufrieden«, sagte Rosaura. »Du hast wohl gewußt, daß sie zur Überwacherin von Coryns Kreis in Hali ernannt worden ist, oder?«
»Nein, ich habe es nicht gehört.«
»Sie ist eine kraftvolle Telepathin in den Verstärkernetzen. Ich frage mich, wie du es über dich bringen konntest, sie zurückzulassen. Ihr seid noch nicht lange verheiratet, nicht wahr?«
»Nicht einmal ein Jahr«, antwortete Allart. Nein, nicht lange, eine schmerzlich kurze Zeit, um eine geliebte Frau zu verlassen … Er hatte vergessen, daß er sich unter den geübten Telepathen eines Turm-Kreises befand. Einen Moment lang senkten sich die Trennwände seines Geistes, und er sah seinen eigenen inneren Schmerz überall reflektiert. Er sagte: »Das Schicksal des Krieges, nehme ich an. Die Welt wird weitergehen, wie sie will, und nicht, wie du oder ich es gerne hätten.« Er fühlte sich würdevoll und geziert, als er das Klischee aussprach, und die anderen spielten ihm den höflichen, nichtsenthüllenden Nicht-Kontakt vor, das geistige Sich-Abwenden – ganz das höfliche Verhalten unter Telepathen, wenn unbekannte Wahrheiten sich durch Zufall enthüllen. Allart fand erst dann seine Fassung wieder, als Donal von ihrem Auftrag berichtete.
»Mein Vater schickt mich, damit die ersten Feuerchemikalien zur Station im Harzbaumwaldes gebracht werden. Die anderen können mit Packtieren geschickt werden. Wir bauen auf dem Gipfel eine neue Feuerstation.« Das Gespräch wandte sich allgemein der Feuerbekämpfung, der Jahreszeit und den frühen Stürmen zu.
Eine der Leroni nahm Donal mit, um ein Chemikalienpaket zu schnüren, das sie auf den Gleitern transportieren konnten. Rosaura zog Allart zur Seite.
»Ich bedaure die Notwendigkeiten, die dich so früh von deiner Braut getrennt haben, Verwandter – aber wenn du möchtest, und Cassandra in den Verstärkern ist, kannst du mit ihr sprechen.«
Mit dieser Möglichkeit konfrontiert, fühlte Allart, wie sein Herz sich zusammenkrampfte. Er hatte sich gefügt, hatte sich gesagt, daß sie zumindest die grausamste der Zukunftsentwicklungen, die er gesehen hatte, vermeiden würden, wenn er Cassandra nie wiedersah. Aber die Möglichkeit, mit ihr zu sprechen, durfte er nicht übergehen. Die Matrixkammer war wie jede andere: Sie lag unter einem gewölbten Dach und besaß blaue Oberlichter, die eine weiche Strahlung einließen. Allarts Blick fiel auf den Überwachungsschirm, das große Verstärkernetz. Eine junge Frau im weiten Gewand einer Matrixarbeiterin kniete davor. Ihr Gesicht, leer und ruhig, zeigte den abwesenden Blick einer Matrixtechnikerin, deren Geist auf etwas anderes eingestimmt und deren Gedanken in den Verstärkernetzen gefangen waren, die alle Telepathen in den Türmen
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