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Herrin der Stürme

Herrin der Stürme

Titel: Herrin der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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fehlt dir? Was hast du gesehen? Wirklich, dort ist niemand.«
Allart blinzelte verwirrt, ein plötzliches Schwindelgefühl ließ seine Schwingen flattern, und automatisch kippte er ab, um das Gleichgewicht wiederzufinden. Die Straße nach Aldaran lag leer und verlassen im zunehmenden Zwielicht. Er sah weder Reiter noch bewaffnete Männer, noch Banner. Sein Laran hatte ihm wieder einmal gezeigt, was geschehen konnte. Die Vision war verschwunden.
Donal flatterte, flog seitwärts. Seine erregte Warnung drängte Allart, ihm schnell zu folgen. »Wir müssen hinunter, selbst wenn wir dabei die Besinnung verlieren«, schrie er und sandte ihm einen flüchtigen, erregten Gedanken zu: Ein neuer Sturm kommt auf.
Aber ich sehe keine Wolken.
Dieser Sturm braucht keine Wolken, dachte Donal bestürzt. Das ist der Zorn meiner Schwester, der Blitze erzeugt. Die Wolken werden noch kommen. Sie würde uns nicht wissentlich treffen, aber wir müssen dennoch so schnell wie möglich nach unten.
Er ließ sich auf einer schnellen Strömung hinabsinken, verlagerte sein Gewicht auf den Gleiter, daß er senkrecht in ihm hing, und setzte es ein, um das Gefährt nach unten zu bringen. Allart, vorsichtiger und weniger erfahren, folgte einer normalen Abwärtsspirale, aber dennoch spürte er den Schlag schmerzender Elektrizität, als seine Füße den Boden berührten. Donal, der sein Gurtzeug losschnallte und den Gleiter in einem Durcheinander von Leinen dem Diener zuwarf, der herbeigeeilt kam, murmelte: »Was kann das sein? Was ist geschehen, daß Dorilys so erregt oder geängstigt ist?« Mit einer knappen Entschuldigung an Allart eilte er davon.

18
    Ohne darüber nachzudenken hörte auch Renata das Rollen des Sommerdonners, als sie sich durch die Flure des Schlosses auf den Weg zu Dorilys’ Räumen machte, um den Nachmittagsunterricht zu geben. Weil Dorilys jünger war als die Novizen eines Turms – und auch, weil sie diese Ausbildung weder aus freiem Willen gewählt noch gelobt hatte, die Unbequemlichkeiten und Schwierigkeiten der Arbeit ohne Klagen zu ertragen –, hatte Renata versucht, den Unterricht locker und vergnüglich zu gestalten, Spiele und kleine Spaße zu ersinnen, die das Laran des Mädchens entwickeln konnten, ohne es langwierigen, ermüdenden Übungen zu unterwerfen. Dorilys war noch zu jung, um vorschriftsmäßig auf telepathische Fähigkeiten untersucht zu werden, die sich selten vor Einsetzen der Pubertät entwickelten. Renata schätzte, daß Dorilys beträchtliche Begabung zum Hellsehen besaß und wahrscheinlich zusätzlich zu ihrer schwer zu handhabenden Gabe, Blitze zu erzeugen, einige telekinetische Kraft. Also hatte sie sie mit einfachen Spielen unterrichtet, Süßigkeiten und Spielzeuge versteckt, und Dorilys sie mit ihrem Laran finden lassen. Sie hatte ihre Augen verbunden, sie den Weg durch komplizierte Hinderniskurse aus Möbelstücken und unvertraute Teile des Schlosses suchen lassen und ihr die Aufgabe gestellt, mit verbundenen Augen ihre eigenen Besitztümer aus einem Wirrwarr ähnlicher Gegenstände herauszufinden, indem sie den Magnetismus, der ihnen anhaftete, »fühlte«. Dorilys war eine gelehrige Schülerin und fand an den Unterrichtsstunden so viel Gefallen, daß es Margali bei zwei oder drei Gelegenheiten tatsächlich gelungen war, ihren aufsässigen Zögling mit der Drohung zur Raison zu bringen, den Unterricht ausfallen zu lassen.
Soweit Renata feststellen konnte, fehlten Dorilys die beiden Gaben, die sie zu einer Turm-Arbeiterin machen könnten, völlig: Telepathie, definiert als die Fähigkeit, bewußtes Denken zu lesen oder aufzugreifen; und Empathie, die darin bestand, die Gefühle oder körperlichen Empfindungen eines anderen im eigenen Geist oder Körper zu spüren. Aber beide Fähigkeiten konnten sich noch in den Jugendjahren ausbilden, und wenn sie dann einige Kontrolle über ihre Energieströme besaß, würde die gefürchtete Schwellenkrankheit weniger Gefahr für sie heraufbeschwören.
Wenn es sich doch nur früher entwickeln ließe – oder später! Es war die Geißel aller Laran besitzenden Familien, daß diese Sorgen erzeugenden Anlagen sich gleichzeitig dann entwickelten, wenn das Kind die körperlichen und seelischen Umwälzungen der Pubertät durchlief. Viele von denen, die diese Gaben trugen, erfuhren erst dann, daß das plötzliche Einsetzen der Psi-Kräfte, die sich entwickelnde Sexualität und die hormonale und gemütsmäßige Labilität dieser Periode für Körper und Geist eine

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