Herrin der Stürme
besser lernen«, sagte Renata mit eisiger Stimme. »Was du auch mit ihr anstellst, Dorilys, du wirst deine Pflegemutter sofort davon befreien. Du wirst niederknien und sie um Vergebung bitten. Dann werde ich vielleicht mit dem Unterricht fortfahren.« »Sie um Vergebung bitten?« fragte Dorilys ungläubig. »Das werde ich nicht!«
Irgend etwas in der Haltung des Kindes ließ Renata plötzlich an Lord Aldaran denken, obwohl man von Dorilys behauptete, sie ähnele ihrer verstorbenen Mutter. Sie hat ihres Vaters Stolz, dachte sie, aber sie hat noch nicht gelernt, ihn mit Höflichkeit, zweckdienlicher Verbindlichkeit und Charme zu kaschieren. Sie ist noch jung, und wir können diese Eigenwilligkeit in ihrer ganzen Häßlichkeit sehen. Ihr ist es schon gleichgültig, wem sie weh tut, solange es nach ihrem Kopf geht. Und Margali ist für sie nichts besseres als eine Dienerin. Das gilt auch für mich. Sie gehorcht mir, weil es ihr gefällt.
Sie sagte: »Ich warte, Dorilys. Bitte Margali um Verzeihung.« »Nur, wenn sie mir verspricht, mich nie mehr herumzukommandieren«, beharrte Dorilys trotzig.
Renata kniff die Lippen zusammen. Es würde also tatsächlich auf einen Zweikampf hinauslaufen. Wenn ich zurückstecke, wenn ich ihr gestatte, eigene Bedingungen zu setzen, wird sie mir nie mehr gehorchen. Dabei kann diese Lehre ihr Leben retten. Ich will keine Macht über sie, aber wenn ich sie unterrichten soll, muß sie gehorsam sein und lernen, sich so lange auf mein Urteil zu verlassen, bis sie ihrem eigenen trauen kann.
»Ich habe dich nicht gefragt, unter welchen Bedingungen du sie um Verzeihung bittest«, sagte Renata. »Ich habe dir nur gesagt, du sollst es tun. Ich warte.«
»Renata«, begann Margali.
Aber Renata unterbrach sie ruhig: »Nein, Margali. Halte dich da raus. Du weißt so gut wie ich, was sie als erstes lernen muß.« Zu Dorilys sagte sie mit der geübten Befehlsstimme: »Knie dich sofort hin und bitte deine Pflegemutter um Verzeihung!«
Automatisch sank Dorilys auf die Knie. Plötzlich stieß sie einen schrillen Schrei aus und sprang auf: »Ich habe dir gesagt, du sollst nie die Befehlsstimme gegen mich anwenden! Ich werde es nicht zulassen, und mein Vater auch nicht! Er würde mich nicht erniedrigt sehen wollen, indem ich sie um Verzeihung bitte!«
Dorilys, dachte Renata, hätte gründlich versohlt werden sollen, ehe sie stark genug war, solch übersteigerte Ideen über ihre eigene Bedeutung zu entwickeln. Aber jeder hatte Angst vor ihr und wollte ihr nicht in die Quere kommen. Ich mache ihnen keinen Vorwurf. Auch ich habe Angst vor ihr.
Sie wußte, daß sie einem zornigen Kind gegenüberstand, dessen Zorn schon einmal getötet hatte. Aber noch habe ich die Oberhand. Sie ist ein Kind, das weiß, daß es Unrecht hat, aber ich bin eine geübte TurmTechnikerin und Überwacherin. Ich muß ihr beibringen, daß ich stärker bin als sie. Denn der Tag wird kommen, an dem sie erwachsen ist und niemand stark genug sein wird, sie zu kontrollieren. Bevor es soweit ist, muß sie in der Lage sein, sich zu beherrschen.
Ihre Stimme war wie eine Peitsche: »Dorilys, dein Vater hat mir in allen Bereichen die Aufsicht über dich gegeben. Er hat mir gesagt, ich hätte seine Erlaubnis, dich zu schlagen, wenn du ungehorsam bist. Du bist ein großes Mädchen, und ich würde dich nicht gerne auf diese Art demütigen. Aber eines sage ich dir: Wenn du mir nicht sofort gehorchst und deine Pflegemutter um Verzeihung bittest, werde ich tun, als seist du ein Baby und zu jung, auf die Stimme der Vernunft zu hören. Tu, was ich dir sage, und zwar sofort!« ‘ »Nein, das werde ich nicht!« schrie Dorilys. »Und du kannst mich auch nicht dazu zwingen!« Wie als Echo ihrer Worte war von draußen ein rauhes Donnerrollen zu hören. Dorilys war zu erregt, um es zu hören, aber sie spürte es und fuhr zurück.
Renata dachte: Gut. Sie fürchtet sich immer noch ein wenig vor ihrer eigenen Macht. Sie will nicht noch einmal töten …
Plötzlich spürte sie auf ihrer Stirn den brennenden Schmerz eines enger werdenden Bandes… Nahm sie das mit empathischer Kraft von Margali auf? Nein. Ein schneller Blick zeigte ihr, daß Dorilys angespannt und in zähneknirschendem Zorn konzentriert war. Sie tat mit ihr das gleiche wie mit Margali.
Diese kleine Teufelin! dachte Renata, hin- und hergerissen zwischen Zorn und unwillkürlicher Bewunderung für die Kraft und den Geist des Kindes. Wenn man diese Stärke und diesen Trotz einem sinnvollen Zweck
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