Herrin der Stürme
an einem anderen. Ein weiser Mann sagte einmal: ›Es ist ein schlechtes Unterfangen, einen Drachen anzuketten, um sein Fleisch zu braten.‹ Aber ich sehe, daß du einen Sternenstein trägst.«
»Einen kleinen, nur für Spielereien. Ich kann einen Gleiter heben und ähnliche Dinge. Kleinigkeiten, die mir unsere Haushalt Leronis beibrachte.«
»Bist du seit deiner Kindheit ein Telepath?«
»Nein, die Kraft kam zu mir, als ich über fünfzehn war und es schon nicht mehr erwartete.«
»Hast du stark unter der Schwellenkrankheit gelitten?« fragte Allart. »Nicht sonderlich. Benommenheit und Orientierungsschwierigkeiten, vielleicht ein halbes Jahr lang. Am meisten betrübte es mich, daß mein Pflegevater mir in dieser Zeit den Gleiter verbot!« Er lachte, aber Allart und Renata konnten seine Gedanken lesen: Ich habe nie gewußt, wie sehr mein Pflegevater mich liebte, bis ich spürte, wie sehr er sich ängstigte, mich zu verlieren, als die Schwellenkrankheit kam. »Keine Krämpfe?«
»Gar nichts.«
Renata nickte. »Einige Erblinien haben es schwerer als andere. Du scheinst die relativ geringere zu haben, und Lord Aldarans Familie die tödliche Form. Bist du vom Blut der Hasturs?«
»Damisela, ich habe nicht die geringste Ahnung«, antwortete Donal steif, und die anderen spürten seinen Widerwillen, als hätte er die Worte laut ausgesprochen: Bin ich ein Renn-Chervine oder ein Zuchttier, das man nach seinem Stammbaum beurteilt?
Renata lachte laut. »Vergib mir, Donal. Vielleicht habe ich zu lange in einem Turm gewohnt und nicht überlegt, für wie beleidigend ein anderer eine solche Frage halten könnte. Ich habe so viele Jahre damit zugebracht, diese Dinge zu studieren! Allerdings, mein Freund, wenn ich mich um deine Schwester kümmern soll, muß ich ihre Erblinie und ihren Stammbaum so gewissenhaft untersuchen, als sei sie ein Renntier oder ein edler Falke, um herauszufinden, wie dieses Laran in ihre Linie kam, und welche tödlichen und rezessiven Merkmale es tragen könnte. Selbst wenn sie sich jetzt ruhig verhalten, könnten sie Ärger verursachen, wenn sie zur Frau wird. Aber vergib mir. Ich wollte dich nicht beleidigen.«
»Ich sollte dich um Vergebung bitten, Damisela, weil ich so tölpelhaft bin – während du nach Wegen suchst, meiner Schwester zu helfen.« »Dann wollen wir uns gegenseitig vergeben, Donal – und Freunde sein.«
Allart spürte, während er sie beobachtete, plötzlich bitteren Neid auf diese jungen Leute, die lachen, flirten und das Leben genießen konnten, selbst wenn sie mit drohendem Verderben beladen waren. Dann schämte er sich plötzlich seiner selbst. Renata trug keine leichte Last. Sie hätte ihre Verantwortung auf Vater oder Ehemann abladen können – dennoch arbeitete sie seit ihrer Kindheit daran, zu erfahren, wie man mit der Verantwortung am besten fertig wurde. Selbst wenn es hieß, das Leben eines ungeborenen Kindes zu zerstören und den Makel einer unfruchtbaren Frau zu tragen. Auch Donal hatte keine unbeschwerte Jugend gehabt. Er mußte mit dem Wissen um sein eigenes Laran leben, das ihn und seine Schwester zerstören konnte.
Allart fragte sich, ob jedes menschliche Wesen tatsächlich so nahe wie er an einem Abgrund entlang durchs Leben ging. Er machte sich klar, wie er sich verhalten hatte: als trüge er allein einen unerträglichen Fluch, und alle anderen seien heiter und sorgenfrei. Er beobachtete, wie Renata und Donal lachten und scherzten, und dachte – es war ein neuer und fremder Gedanke – Vielleicht hat Nevarsin mir eine zu übertrieben ernsthafte Einstellung zum Leben gegeben. Wenn sie mit ihren Lasten leben und dennoch heiter sein und sich an dieser Reise erfreuen können, sind sie vielleicht klüger als ich.
Als er schneller ritt, um sich ihnen anzuschließen, lächelte er.
Sie erreichten Aldaran am späten Nachmittag eines trüben, regnerischen Tages, der Wind, Regen und kleine Hagelkörnchen mit sich trieb. Renata hatte den Umhang über das Gesicht gezogen und ihre Wangen mit einem Schal geschützt. Der Bannerträger hatte die Fahne in eine schützende Hülle gesteckt und ritt mit ernstem Blick, in seinem dicken Mantel vermummt. Allart bemerkte, daß die zunehmende Höhe sein Herz heftiger schlagen ließ. Er fühlte sich ein wenig benommen. Aber Donal schien mit jedem Tag mehr die Sorgen abzuwerfen und fröhlicher auszusehen, als seien die Höhe und die sich verschlechternde Witterung nur ein Zeichen der Heimkehr. Er ritt selbst durch den Regen barhäuptig,
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