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Herrndorf, Wolfgang - Sand

Herrndorf, Wolfgang - Sand

Titel: Herrndorf, Wolfgang - Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Troll Trollson
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Reichtum investiert in Hammer und Meißel und Bohrer und begonnen zu graben im verfluchten Fels.
    Hakim von den Bergen tat den ersten Schlag mit einem Hammer, als er neunzehn war, und grub, bis seine Hand verdorrte im gesegneten Alter von achtundsechzig. Die Leber. Und nicht ein Stäubchen Gold in vierzig Jahren! Sodass die Gerüchte nicht verstummten, auch das erste Gold sei in Wahrheit… doch das waren Gerüchte. Und Hakim II, der treue Sohn, der niemals zweifelte, begann zu graben, als er zwanzig war, und grub, bis der Meißel seiner Hand entglitt im Alter von vierundsechzig. Das Herz. Auch er fand nicht ein Stäubchen. Und zuletzt Hakim III, der Enkel, der treueste der Treuen. Der Mann ohne Zweifel. Begann zu graben, als er dreizehn war.
    «Was ist aus ihm geworden?», erkundigte sich Helen.
    «Er gräbt noch immer», sagte er und schlug sich stolz auf die Brust. Und werde graben bis an sein Lebensende, dem Beispiel seiner Ahnen folgend, und wenn er sterbe, dann werde es nicht das Herz sein und nicht die Leber, sondern die schwarze Galle, und er werde sich erschießen, genau hier, vor diesem mit eigenen Händen gegrabenen Stollen, seinem Lebenswerk und dem Werk seiner Vorfahren, werde sich einfach das Hirn wegschießen und ein Stäubchen werden in einem Gebirge aus Staub. Er steckte sich den Lauf der Winchester in den Mund, blies lustig die Backen auf und rollte mit den rot geäderten Augen.
    «Wollt ihr jetzt den Stollen sehen?»
    Sie wollten. Die ersten Meter war es kühl unter der Erde. Dann wurde es rasch wärmer, je tiefer man hinunterstieg. Und stickiger. Hakim torkelte mit einer Karbidlampe voran und forderte Carl und Helen wiederholt auf, sich dicht hinter ihm zu halten: «Ohne mich findet ihr hier nie wieder raus.»
    Lange, schulterbreite Gänge waren kreuz und quer durch den Felsen getrieben worden. Nur am Anfang gab es einen etwas größeren Hauptgang, der natürlichen Ursprungs zu sein schien und hier und da mit Hammer und Meißel verbreitert worden war. Mit einem Klicklaut der Zunge machte Hakim auf einen im gesamten Gangsystem akkurat auf Brusthöhe angebrachten Fries aus rußschwarzen Handabdrücken aufmerksam. Nahe am Stolleneingang lauter rechte Hände im Abstand von etwa einem halben Meter; abzweigende Gänge hatten andere Markierungen. Die linke Hand, die linke Hand mit nur vier Fingern, ein Handteller mit nur Zeigefinger und Daumen. Je tiefer sie hinabstiegen, desto weniger Finger waren übrig.
    Als die Markierung nur noch ein linker Handteller plus Daumen war, befanden sie sich in einem etwa mannshohen, höhlenartigen Raum, von dem drei oder vier Gänge abzweigten. Hakim leuchtete mit seiner Funzel herum und erklärte, welcher seiner Ahnen welchen Gang in welchem Jahr gegraben habe. Hin und wieder tippte er sich auch stolz auf die eigene Brust und hob vielsagend die Augenbrauen, und Carl, der aufmerksam zuhörte, konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, der Erzähler habe hier als junger Mann einst mit der Grabung begonnen, sei als erwachsener und alter Mann damit fortgefahren und sei in Wirklichkeit Großvater, Vater und Enkel in einer Person. Während er noch redete, drang ein entsetzliches Stöhnen aus der Tiefe herauf. Carl sah Helen an, Helen sah den Alten an, und der Alte tat, als habe er nichts gehört. Er berichtete, wie Hakim der Zweite oder Dritte vergeblich versucht hätten, hier unten einen Presslufthammer zu betreiben, imitierte mit aufgeblasenen Backen das Rattern des Werkzeugs und konnte doch das unheimliche Geräusch, das kurz ausgesetzt und dann eine Oktave tiefer wieder eingesetzt hatte, nicht übertönen.
    «Was – ist – das?», fragte Helen, und Hakim hielt sich eine Hand ans Ohr.
    Es war nichts zu hören.
    «Da schnauft etwas», insistierte sie, und das Gesicht des Alten hellte sich auf.
    «Ah! Es schnauft? Ich zeig’s euch.»
    Eilig steuerte er mit seiner Laterne den am steilsten abfallenden Gang hinunter. Carl und Helen, die oben stehen blieben, riefen ihm hinterher, sie hätten genug gesehen und kein Interesse, weitere Teile des Stollens zu besichtigen. Das Geräusch sich entfernender Schritte antwortete ihnen. Mit jedem Schritt wurde es dunkler in dem höhlenartigen Raum.
    «He!», brüllte Helen. «He!»
    «Ohne mich findet ihr hier nie wieder raus», kam die Stimme aus der Tiefe; und sich an den Händen fassend eilten Carl und Helen dem schwindenden Licht hinterher. Der Gang war so schmal, dass man nur im Gänsemarsch gehen konnte. Carl war näher am Alten.

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