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Herrndorf, Wolfgang - Sand

Herrndorf, Wolfgang - Sand

Titel: Herrndorf, Wolfgang - Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Troll Trollson
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standen, die chromblitzende Maschine vor sich auf dem Tisch. Das Gerät war auf seinem Sockel fast einen Meter hoch, hatte einen schlanken, zylinderförmigen Mittelteil, außen verlaufende Rohre, ein zentrales Messinstrument und oben einen Einfüllstutzen. Es schien Strom zu benötigen, hatte aber kein Kabel, mit dem man es anschließen konnte, nur einen zweipoligen Einbaustecker an der Seite.
    «Welches Ding?»
    «Die Mine.»
    «Die Mine? Das da? Du hast das mitgenommen, weil du dachtest –»
    «Das stand so prominent im Raum. Und direkt daneben du und die Männer – ich dachte, du hast es gefunden.»
    «Du hast gedacht, das ist die Mine?»
    «Was weiß denn ich», sagte Helen gereizt und drehte an einer Schraube am Einfüllstutzen. «Was hast du denn gewollt in dieser Werkstatt da?»
    «Und du?»
    «Ich hab dich gesehen, du Künstler, wie du da rein bist. Also, was ist das für ein Ding?»
    Aber auch eine genaue Untersuchung der Maschine brachte keine Klarheit. Auf einem kleinen Metallschild am Sockel standen technische Daten – 2500 wat, 12 amper –, darüber ein kurzer Text in einer Sprache, die sie nicht kannten.
    «Norwegisch oder Dänisch», vermutete Carl.
    «Polnisch. Warszawa, das ist Polnisch. Und das waren die Leute von Adil Bassir?»
    «Ich weiß nicht. Ich glaube nicht. Das Ultimatum läuft ja noch.»
    «Oder die aus der Wüste?»
    «Nee.»
    «Apropos Wüste», sagte Helen, «Bodenschätze gibt’s hier nicht. Aber es gibt eine Goldmine.»

    HAKIM VON DEN BERGEN
     
    Warum soll es nicht möglich sein, Gold zu machen? Wir wissen heute aus der Atomphysik, dass alles möglich ist. Noch vor kurzem glaubte man, dass nicht alles möglich ist.
    Dagobert Duck
     
    Im gelben Dunst die gelben Berge. Dass es in dieser Gegend keine Bodenschätze gab, hatte man Helen auf dem amerikanischen Konsulat glaubhaft versichert. Von einem Bergwerk, einer Grabung, einer wie auch immer gearteten Mine war den freundlichen Konsularbeamten ebenfalls nichts bekannt.
    Helen hatte das Konsulat bereits wieder verlassen, als ihr auf dem Parkplatz ein junger Mann mit Schrubber und Putzeimer hinterhergelaufen kam, der Helens Gespräch mit den Beamten offenbar aus einiger Entfernung mitverfolgt hatte. Sein Englisch war sehr schlecht, und anscheinend hatte er auch nicht alles richtig verstanden. Aber aufgeregt und unter der riesigen amerikanischen Flagge am Eingangstor stehend berichtete er, dass es im Norden selbstverständlich eine Mine gebe. Oder einmal gegeben habe.
    Treuherzig schaute er Helen in die Augen, wartete, bis sie ihr Portemonnaie gezückt hatte, und berichtete von einer alten Goldmine an der Ausfallstraße nach Tindirma. Freilich, eine richtige Mine sei das nicht, wie er nach einigen Minuten blumiger Rede zugeben musste; es sei tatsächlich ein Restaurant gewesen, welches ein Nigerianer oder Ghanaer dort vor sehr langer Zeit betrieben habe, es habe Zur Goldmine geheißen und sei im Gegensatz zu seinem Namen etwas ganz anderes als eine Goldmine gewesen, weshalb es auch längst nicht mehr existiere. Allein die Reste des Hauses stünden noch. Verfehlen könne man sie nicht, sagte er, sie befänden sich nur einen Kilometer hinter den großen Ziegelkamelen in der Wüste, und sonst sei da auch nichts mehr und stehe auch nichts, nur diese Ruine noch, direkt vor der kleinen Abzweigung in die Berge.
    «Und das alles wäre ein großer Quatsch vermutlich», sagte Helen zu Carl, «wenn es nicht zufällig da wäre, wo ich dich aufgelesen hab. Jedenfalls nah dran.»
    Sie fuhren los.
    In der flirrenden Hitze des Nachmittags gaben sich die Kamele ihren zeitlosen Kuss. Der Wind wehte gelben Staub von ihren Rücken.
    Die kleine Abzweigung in die Berge war leicht zu finden, aber von Resten eines Hauses konnte man nicht ernsthaft sprechen. Ein paar Bretter lagen zwischen den Felsen, ein verbeulter Eimer. Nach längerer Suche entdeckte Carl die vier Pfosten, die einmal die Ecken des Gebäudes gewesen sein mochten, und sogar ein kleines Tableau mit halb abgeblätterten arabischen Schriftzeichen: ein Teil des Wortes Goldmine. Das war alles.
    Carl, der große Hoffnungen in diesen Hinweis gesetzt hatte und aus Verzweiflung so heftig gegen einen Stein trat, dass er glaubte, sich den Fuß verstaucht zu haben, wollte sofort nach Targat zurück. Helen war dagegen.
    «Wenn du eine Gaststätte hast und nennst die Zur Mühle, dann heißt das doch in aller Regel, dass da irgendwann mal eine Mühle war. Selbst wenn die schon seit hundert Jahren nicht

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