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Herrndorf, Wolfgang - Sand

Herrndorf, Wolfgang - Sand

Titel: Herrndorf, Wolfgang - Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Troll Trollson
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fährt ein bisschen in der Gegend rum und stürmt ein paar Häuser. Capisce? Und vor allem achtest du darauf, dass du einen Tross von Presseleuten hinter dir herschleifst. Die beiden Amis sind noch immer im Sheraton, der eine Brite auch – den kennst du, oder? Und die sollen ordentliche Aufnahmen davon machen. Und dann nimmst du mal einen fest, oder nimm gleich ein Dutzend fest, und zwar solange, bis die Presseschlampen genug haben. Und den Rest überlässt du mir. Das Einzige, worauf du achten musst, ist, dass Amadou sich nicht im Salzviertel versteckt. Weil, da ist er ja aufgewachsen. Da kennt er sich aus wie in seiner Westentasche, weshalb jeder bescheuerte Hilfspolizist wie Karimi ihn da natürlich als Erstes vermuten würde. Aber weil Amadou ein so durchtriebener Kerl ist, wie sich gerade rausgestellt hat, versteckt er sich genau da nicht, capisce?»
    «Capisce.»
    «Ein anderer Grund ist: Nachdem Karimi gestern mit seinen Bulldozern im Salzviertel war, hat es da schon wieder einen kleinen Aufstand gegeben. Das ist nicht gut. Sag ich mal. Da sind jetzt schon mehr Leute gestorben, als Amadou auf dem Gewissen hat. Was für dich bedeutet: Das komplette Viertel und dahinter in die Wüste rein, Richtung Tindirma, das Leere Viertel, das Salzviertel, die ganze Gegend ist tabu. Haben wir uns da verstanden?»
    Canisades nickte beflissen. Er konnte sich nicht vorstellen, woher die Protektion für den schwachsinnigen Amadou auf einmal kam. Das mit der Verwandtschaft mit dem Innenminister war natürlich Unsinn. Irgendein dreckiger Ziegenhirte aus Tindirma war nicht verwandt mit dem Innenminister und auch nicht mit dessen Putzfrau. Wenn er es gewesen wäre, hätte er es schon beim ersten Verhör der Polizei ins Gesicht geschrien, anstatt sich lange mit seiner Unschuld herumzuplagen. Wahrscheinlich hatte Amadous Familie wieder irgendwo ein bisschen Geld aufgetrieben. Und das floss jetzt wohin? An Karimi anscheinend nicht. Direkt an den General? Oder tatsächlich an jemanden aus dem Innenministerium? Canisades ärgerte sich nur, dass das an ihm vorbeilief. Der übliche Dienstweg sah die Einbindung aller ermittelnden Kommissare vor, und er hatte diesen Fall als Erster gehabt. Stattdessen wurde er nun mit diesen albernen Papieren konfrontiert. Er hatte nicht wenig Lust, Amadou nebenbei einzufangen und einen Kopf kürzer zu machen. Besonders schwierig konnte das nicht sein. Wenn man es schon für nötig hielt, einem Blinden wie Karimi die Ermittlungen aus der Hand zu nehmen, saß Amadou vermutlich betrunken, nackt und schmutzige Lieder singend mitten auf der Piste nach Tindirma.
    Canisades hielt den Moment für gekommen, fragend auf die Papierschnipsel zu zeigen.
    «Kinderkram», sagte der General, fegte die Schnipsel in den Mülleimer und scheuchte Canisades mit einer Handbewegung hinaus. Kurz bevor der Kommissar die Tür hinter sich schließen konnte, wurde er noch einmal zurückgerufen. Der General hatte seinen Block in der Hand und tippte auf die Notiz, die er sich gemacht hatte.
    «Und das funktioniert?»
    «Was?»
    «Mit dem Tugendkomitee. Die Nutten. Ich bin ein Familienvater, wie du weißt, und sehr fromm. Ich frage das, weil ich mal einen Onkel hatte … also funktioniert das?»
    «Wie gesagt, wir waren nur einmal da. Oder ich.»
    «Antworte gefälligst! Machen die kleinen Fotzen es dann umsonst oder was?»
    «Vom Offizier aufwärts machen die es eh immer umsonst.»
    «Was?»
    «Die machen es immer umsonst.» Canisades kam zwei Schritte zurück ins Zimmer. «Das ist so üblich, wir sind doch die Polizei.»
    «Wozu dann der Quatsch mit den Papieren?»
    «Wie gesagt, ich hab’s nicht probiert. Aber Polidorio sagt, sie wären dann besser. Machen Sachen, die sie sonst nicht machen.»
    Der General hob sich halb vom Sitz, drückte seine Faust zwischen die fetten Pobacken und sah Canisades an.
    «Ja, so was in der Art.»
    «Und das hier? So?»
    «Ja. Auch.»
    «Und so?»
    «Alles. Sagt Polidorio.»
    «Im Ernst?» Ungläubig den Kopf schüttelnd schaute der General Canisades an, dann ebenso ungläubig auf seinen Notizblock. «Diese kleinen Schlampen!» Dann winkte er, ohne aufzusehen, seinen Besucher abermals zur Tür hinaus, machte sich neue Notizen und strich die alten durch.
    Wenig später rief ein Glaser, der gekommen war, zwei Fenster auszuwechseln, den General aus seinem Büro, und Canisades, der auf dem Flur vor den Postfächern gewartet hatte, schlich in das Büro zurück, klaubte die Schnipsel aus dem Papierkorb und

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