Herrschaft der Alten (Roman) (Science Fiction Thriller /Herrschaft der Alten Gesamtausgabe) (German Edition)
noch erkennen. Die Lichtverschmutzung war einfach zu stark. Wenn man die Sterne sehen wollte, konnte man sich über das Netz ja auch jederzeit mit dem Datenstrom eines der Observatorien verbinden, die es auf dem Mond und im Erdorbit gab. Dann hatte man einen wirklich freien Blick ins Universum, der weder durch Lichtverschmutzung, Wolken oder Smog getrübt wurde.
Ein Nachthimmel ohne Lichter war jedenfalls ein Alarmzeichen. Nur hier und da sah man noch vereinzelte Positionslichter aufleuchten. Die Gleiter, deren Position sie anzeigen sollten, waren anscheinend alle in einem Sinkflug begriffen. Auch der Gleiter, in dem Benn Platz genommen hatte, setzte nun zur Landung an. Es war einfach zu gefährlich, bei einem sich nähernden Wirbelsturm in der Luft zu bleiben.
Inzwischen wurden auch sämtliche Passanten, die um diese Zeit noch im Freien unterwegs waren, über eine nicht unterdrückbare Netzbotschaft aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen.
Diese sogenannte Bürgerbotschaft drängte sich in Benns Netzhautanzeige und schob sich ziemlich aufdringlich über Nicolas’ Nachricht. So lange, bis Benn die Option >zur Kenntnis genommen< anwählte.
Der Gleiter setzte unterdessen auf dem Boden auf. Das System hatte einfach den nächsten geeigneten Landeplatz angeflogen. In diesem Fall war das eine der ehemaligen Autobahnen, die die Stadtlandschaft durchschnitten. Früher waren sie einmal lebenswichtige Verkehrsadern, heute wirkten sie eher wie Narben, die sich durch das Stadtgebiet zogen. Selbst die Grünflächen, die sich rechts und links dieser Betonbahnen erstreckten, konnten diesen Eindruck nicht abmildern.
Auch wenn das Zeitalter des Automobils längst und lange vorbei war, so hatten diese breiten Straßen immer noch eine wichtige Funktion – nicht nur wenn ein Sturm aufzog. Sie dienten vornehmlich zum Fahrradfahren und als Notlandeplätze für Gleiter.
Der Gleiter, in dem Benn seinen Heimweg angetreten hatte, stand inmitten von anderen Gleitern jeder nur erdenklichen Größe und Funktion. Fliegende Container waren ebenso dabei wie solche Gleiter, die für ganz spezielle Aufgaben konstruiert worden waren.
Vor ihnen ragte ein Transportgleiter auf, dessen Container mindestens so hoch wie ein dreistöckiges Haus war. Gut so, dachte Benn. Im Windschatten dieses riesigen Klotzes ließ sich so ein Sturm wahrscheinlich am besten überstehen.
Ein Ruck ging durch die Gleiterkabine, als teleskopartige Metallarme ausgefahren wurden, an deren Enden sich tellerförmige Saugnäpfe befanden, die das Gefährt am Boden befestigten.
Benn lehnte sich entspannt zurück. Das konnte jetzt eine Weile dauern!, wusste er. Vielleicht sollte ich mir einen Film reinziehen oder etwas spielen, überlegte er sich.
Eine weitere Nachricht von Nicolas erreichte ihn: >Sieh dir das mal an!<
Benn aktivierte den Link. Eine Live-Übertragung begann. Nicolas war zu sehen. Der Kamerawinkel war etwas schräg, weil er sich offenbar selbst filmte. Aber nach einem Schwenk konnte man erkennen, dass er sich erstens draußen im Freien und zweitens auf dem Dach eines hohen Gebäudes befand.
„Mach keinen Quatsch!“, sagte Benn laut, sodass alle anderen in der Gleiterkabine ihn stirnrunzelnd ansahen.
Da die Spracherkennung aktiviert war, konnte Nicolas seine Worte hören.
>Hey, wozu sind Antigrav-Geräte denn da?<, erreichte ihn eine Antwort von Nicolas. >Du kennst mich! Bei so einem Sturm kann ich nicht widerstehen!<
Benn antwortete Nicolas, aber diesmal ohne laut zu sprechen. Schließlich wollte er nicht als rücksichtslos auffallen. Kevin Mölders hatte ihm mal erzählt, dass es im frühen 21. Jahrhundert üblich gewesen sei, mit dem Mobiltelefon am Ohr laut redend durch die Straßen zu gehen. Die meisten Leute hätten gar nicht darauf geachtet, dass sie alle möglichen unfreiwilligen Zuhörer an dem Inhalt ihres Gesprächs beteiligten. Benn konnte sich das gar nicht vorstellen – das muss komisch gewesen sein.
Eine Verbindung über die Netzhautanzeige machte dagegen natürlich eine sehr viel diskretere Kommunikation möglich.
>Lass das besser bleiben, Nicolas!<, riet Benn, der jetzt sichtlich beunruhigt war, denn er konnte sich ausmalen, was nun passieren würde.
>Danke für deine Sorge, aber weder du noch ich brauchen uns ins Hemd zu machen!<, lautete Nicolas' Antwort. Das war typisch für ihn. Coolsein trotz brenzliger Lage. >Es ist genau das richtige Wetter für einen guten Sprung in die Tiefe!<
>Hör auf mit dem Quatsch!<
>Du solltest
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