Herrschaft der Alten (Roman) (Science Fiction Thriller /Herrschaft der Alten Gesamtausgabe) (German Edition)
genommen wurde.
Alles zu seinem eigenen Besten natürlich.
Schließlich musste um fast jeden Preis verhindert werden, dass die wenigen Jungen, die es gab, ihre eigene Generation noch dadurch dezimierten, dass sie zu Platschern oder Amokläufern oder Staatsflüchtern wurden.
Benn betrachtete Nicolas als einen wirklich engen Freund. Er kannte ihn genauso lang wie Sara. Schon als er klein war, fiel Nicolas durch einen gewissen Hang zum Risiko auf. Die dadurch bedingten häufigen Verletzungen hatten damals dazu geführt, dass zwischenzeitlich sogar gegen seine Mutter ermittelt worden war, weil man sie verdächtigte, ihn zu misshandeln. Weil sein Vater bei den Sicherheitskräften arbeitete, war diesem das natürlich besonders peinlich.
Die Neigung zum Chaos und zum Risiko hatte sich bei Nicolas erhalten und manchmal befürchtete Benn, dass diese Neigung ihnen allen einen Strich durch die Rechnung machen konnte, was ihren Fluchtplan anging.
Andererseits – so einen Plan konnte man nicht allein und auf sich gestellt durchführen. Benn hatte sich eingehend mit dem Thema beschäftigt, seit er zwölf war. Er hatte sich schon damals in allen möglichen Netzforen herumgetrieben, in denen Fluchtwillige die verschiedenen Möglichkeiten diskutierten, wie man so etwas erfolgreich durchführen konnte.
Und vor allem hatte er sich immer wieder die gescheiterten Fälle angesehen und zu analysieren versucht, was da jeweils im Einzelnen schief gelaufen war. Allerdings war es gar nicht so einfach, an solche Informationen heranzukommen. Von den Behörden wurden diese Dinge mehr oder weniger als geheim eingestuft. Man versuchte die Fälle unter der Decke zu halten und die Berichterstattung darüber so weit es irgend möglich war, zu unterdrücken.
Und jeder, der im Datennetz nach solchen Informationen suchte, geriet natürlich früher oder später in den Verdacht, selbst ein potenzieller Staatsflüchter zu sein. Also musste man entsprechende Vorsichtsmaßnahmen anwenden.
Aber darin kannte Benn sich aus.
Der Sturm hatte mehrere Stunden lang in einer Stärke getobt, die jeglichen Gleiterverkehr unmöglich machte.
Benn lud sich ein E-Book auf die Netzhautanzeige. Außerdem ließ er sich einblenden, wie weit das Unwetter bei seinem Zug nach Süden vorankam.
Das waren eben die Folgen des Klimawandels. Wirbelstürme waren auch in Nord- und Mitteleuropa etwas so Normales geworden, wie sie es früher nur in den Tropen gewesen waren.
Benn erhielt noch drei weitere Nachrichten von Nicolas, in der jeweils ein Link zu einer Videodatei enthalten war. Aber Benn ignorierte diese Nachrichten. Immerhin wusste er dadurch, dass Nicolas seine Sprünge überlebt hatte.
Eine Nachricht von Bahar Müller wurde angezeigt. Die sah Benn sich an und unterbrach dafür seine E-Book-Lektüre. Bahar war die Vierte in ihrer Verschwörergemeinschaft von potenziellen Staatsflüchtern. Ihren Eltern gehörte ein großes Pharma-Unternehmen. Ein Medikament, das die Folgen von Alzheimer zum Teil zurückbilden konnte, hatte ihren Vater reich gemacht. Ihre Mutter war Anwältin und würde wohl bis zum Ausbruch ihrer eigenen, genetisch disponierten Alzheimer-Veranlagung damit beschäftigt sein, all die Produktfälscher und Markenpiraten zur Rechenschaft zu ziehen, die sich an diesen Erfolg anzuhängen versuchten. Jedenfalls hatten Bahars Eltern für ihre Tochter wenig Zeit. Bahar lebte bei ihrer 3Ur, nachdem sie sich mit ihren Eltern nach einer Drogenentwöhnung und einigen anderen Eskapaden, zu denen auch ein kurzes, aber heftiges Verhältnis mit Nicolas zählte, vollkommen zerstritten hatte.
Bahar stand Benn bei weitem nicht so nahe wie Nicolas und Sara. Aber erstens war es schwer genug, Freunde im gleichen Alter zu finden, sodass man nicht allzu wählerisch sein durfte, und zweitens brauchten sie Bahar bei ihrem Plan. Sie hatte nämlich Kontakte zu Netzverweigerern, bei denen sie ein halbes Jahr gelebt hatte, nachdem sie das erste Mal zu Hause durchgebrannt war. Die Netzverweigerer lebten außerhalb der Gesellschaft, ohne Implantat und ständige Verbindung zum Datennetz. Sie hatten allerdings dadurch keinerlei Chance auf Arbeit, waren in keiner Versicherung und bekamen keinerlei staatliche Leistungen. Sie lebten in illegalen Siedlungen in den grün überwucherten Ruinen renaturierter Städte.
Netzverweigerer zu werden war neben der Staatsflucht die zweite Möglichkeit, um sich der Erwerbspflicht und der Leistung von Abgaben zu entziehen. Immer wieder hörte man
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