Herrschaft der Alten (Roman) (Science Fiction Thriller /Herrschaft der Alten Gesamtausgabe) (German Edition)
zwar davon, dass die Polizei gegen Netzverweigerer vorging, aber letztlich gab es einfach nicht genug Sicherheitskräfte, um dieses Problem wirklich in den Griff zu kriegen.
Und im Gegensatz zur Flucht in eines der Einwanderer-Länder verhieß ein Leben als Netzverweigerer auch alles andere, als eine bequeme, annehmliche Existenz.
Nach allem, was Benn darüber erfahren hatte, glich es eher einem alltäglichen Überlebenskampf ohne fast alle technischen Hilfsmittel, die das Leben an der Schwelle zum 22. Jahrhundert ansonsten erleichterten.
Auf jeden Fall hatten die Netzverweigerer die größte Erfahrung darin, wie man die Ortungsfunktionen der Implantate stören oder sie sogar notfalls entfernen konnte.
>Wir müssen unser Treffen leider um einen Tag verschieben!<, sandte ihm Bahar. >Sag das bitte auch den anderen.<
>Was ist denn los?<, hakte Benn sofort nach.
>Es gibt Ärger. Ist nicht weiter wichtig. Es hat mit meinen Eltern zu tun.<
Benn verstand. Es war etwas, was man besser nicht über das Netz kommunizierte. Mit Bahars Eltern hatte das ganz gewiss nichts zu tun.
Benn gähnte und rieb sich die Augen, was seine Netzhaut-Anzeige für einen Moment etwas verschwimmen ließ. Na großartig, im Moment scheint ja nichts zu klappen!, ging es ihm durch den Kopf.
Zu Hause traf Benn seinen Vater in der Küche an. Maik Genzler war Ökologe und arbeitete meistens von zu Hause aus. Im Gegensatz zu seiner Frau hatte er nur einen Job, aber so viel zu tun, dass er vierundzwanzig Stunden am Tag hätte arbeiten können. In online-gestützter Zusammenarbeit mit einem Team, dessen Mitglieder auf der ganzen Welt ansässig waren, entwarf er Konzepte zur Renaturierung ehemaliger Stadt- und Industrielandschaften. Überall auf der Welt gab es dafür Bedarf – denn abgesehen von den wenigen Einwanderer-Ländern schrumpfte überall die Bevölkerung dramatisch. Ganze Siedlungen wurden zurückgebaut, wie das im besten Beamtendeutsch hieß. Anschließend mussten diese Areale dann einer sinnvollen Nutzung zugeführt werden.
Maik Genzlers größtes Projekt, an dem er mitgearbeitet hatte, war der Naturpark Ruhr. Maiks Büro nahm eine ganze Etage im Haus ein und Benn war zwar nicht oft dort, aber immerhin oft genug, um noch das gewaltige holografische Modell in Erinnerung zu haben, welches dieses Großprojekt darstellte.
Gegenwärtig arbeitete Maik Genzler zusammen mit einigen Dutzend weltweit mit ihm vernetzten Kollegen an einem ähnlichen Projekt für eine chinesische Industrieregion. China war das Land, das inzwischen zu den Nationen mit der am schnellsten schrumpfenden Bevölkerung zählte.
Dass Maik noch nicht das nötige Alter hatte, um ins Ausland zu reisen, war bei seiner Arbeit nicht weiter wichtig. Das Ruhrgebiet hatte er schließlich auch nie betreten. Hauptsache, man hatte genaue Daten von dem, was man verändern wollte.
„Hi“, sagte Benn.
„Hallo, Benn!“ Maik Genzler nippte an seinem Hallo-Wach-Drink. Das China-Projekt hielt ihn schon seit Wochen ziemlich in Atem. Deswegen hatte Benn ihn auch kaum noch gesehen. Außerdem brachten solche internationalen Projekte es mit sich, dass man teilweise zu sehr ungewöhnlichen Zeiten arbeiten musste. Schließlich spielte es für die Partner in Shanghai, Sydney oder Los Angeles keine Rolle, welche Tages- oder Nachtzeit gerade in Mitteleuropa herrschte.
„Der Sturm hat mich aufgehalten“, sagte Benn.
„Ich habe die News verfolgt. Muss schlimm gewesen sein, aber ich war mitten in einer Simulation und habe davon nur am Rande etwas mitbekommen.“
„Ich verstehe schon ...“
„Gott sei Dank ist dir nichts passiert.“
„Ich war im Gleiter.“
„Da ist man sicher, aber wenn gerade irgendwo im Freien herumläuft, kann das übel enden. Und als ich auf der Anzeige des Haustürrechners gesehen habe, dass du nicht da bist, habe ich mir schon ein bisschen Sogen gemacht.“
Wieso hat er sich das Menue des Haustürsystems anzeigen lassen?, ging es Benn durch den Kopf. Wahrscheinlich wollte er etwas von mir und hat mich gesucht ...
Meistens ging es dann um etwas Unangenehmes.
„Alles in Ordnung bei dir, Benn?“
„Ja, sicher. Ich bin nur ziemlich müde.“
„Wir müssen trotzdem etwas besprechen, Benn.“
„Vielleicht morgen.“
Vielleicht morgen hieß vielleicht nie, denn in der Regel konnte Benn davon ausgehen, dass Maik die Sache dann vergessen hatte. Er hatte einfach zu viel um die Ohren, um sich so etwas merken zu können. Manchmal kam er auch auf ein Problem
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