Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur
um …
Wettlauf im Namen Gottes
Ende des 7. Jahrhunderts ist Irland ein tiefreligiöses, christliches Land. Die alten keltischen Götter gehören jetzt der Welt der Sagen, Legenden und der Folklore an. Klöster sind nicht nur Orte des Glaubens, sondern auch Zentren der Kunst und der Wissenschaft. Die Menschen nehmen die neue christliche Religion begeistert an – manche auch zu begeistert. Religiöser Fanatismus entwickelt sich. Es reicht nicht mehr, den Glauben selbst zu praktizieren. Man verspürt das unbändige Bedürfnis, diesen Glauben für sich zu vertiefen beziehungsweise ihn weiterzutragen. Manche lösen sich dafür von allem, was nicht den Glauben in seiner Reinkultur repräsentiert und suchen abgelegene Orte, an denen sie in Askese und Gebet eine neue Stufe der Erleuchtung suchen. Sie sterben den »blutlosen Tod«, indem sie sich von ihrer Gemeinschaft abtrennen.
Anders als diese Eremiten sucht die zweite Gruppe die Nähe von Menschen, um ihnen den christlichen Glauben nahezubringen. Auch das ist eine Form des »blutlosen Todes«, der Isolation: allein unter Fremden. Wobei die Motive, dafür Irland sogar zu verlassen, durchaus vielschichtig sind. Irland mag ein christliches Land sein, doch das Christentum hat nichts an der Tatsache geändert, dass es auch ein Kriegerland ist, in dem Dynastien im ständigen Krieg gegen- und untereinander liegen. Wie auch, wenn sich selbst die heiligen Männer bekriegen …
Colum Cille ist ein Angehöriger der Familie Ó Donnaill, einem Ableger des Königshauses der nördlichen Uí Néill in Donegal und Anwärter auf den Thron in Tara. Als religiös erzogener Menschgeht der zu diesem Zeitpunkt etwa 40-Jährige in das Kloster des Finnian und gerät dort in einen Streit mit dem Abt, bei dem es wohl um Urheberrechtsfragen bei einem Manuskript geht (wahrscheinlich der erste historisch dokumentierte Copyright-Streit). Der Abt erhält Recht, was Colum Cille nicht bereit ist hinzunehmen. Als sich sein eigener Clan auf die Seite Finnians stellt, revoltiert Colum Cille gegen seine Familie, wird militärisch geschlagen und muss das Land verlassen. Er überquert um 560 den North Channel und siedelt sich auf der Insel Mull an, die zu diesem Zeitpunkt noch formell Herrschaftsgebiet des piktischen Königs ist, wenig später jedoch von Dál Riada einverleibt wird. Colum Cille – besser bekannt als St. Columba – gründet drei Jahre später sein berühmtes Kloster, welches sich schnell zum Zentrum der keltischen Kirche in Schottland entwickelt.
Doch St. Columba ist zu sehr Aristokrat, um den weltlichen Dingen völlig abzuschwören. Im Gegenteil, er nutzt seinen Ruf um Schnittstelle zwischen Kirche und Politik zu sein. Dabei überschreitet er auch Grenzen, zum Beispiel die zum angelsächsischen Northumbria. Als König Oswald den heiligen Columba in Zeiten interner angelsächsischer Zwiste aufsucht und um Unterschlupf bittet, gewährt ihm Letzterer, ohne zu zögern, Asyl. Diese – angesichts der Tatsache, dass die Angelsachsen noch immer Heiden sind – nicht ganz ungefährliche Geste zahlt sich aus. Oswald konvertiert, und als er in Northumbria wieder an die Macht kommt, will er das Christentum in seinem Königreich einführen. Also bittet er – inspiriert durch St. Columba – in Irland darum, dass man ihm einen Bischof schicken möge. Auf diese Einladung hin reist Aidan nach Northumbria und gründet an der Nordostküste das Kloster Lindisfarne.
Allerdings verläuft der Kontakt zwischen keltischen Mönchen und Angelsachsen nicht immer so friedlich. Als Æthelfrid, König von Northumbria, um 616 nach Westen gegen das walisische Königreich Powys vorstößt, kommt es zum Eklat, als sich auf walisischer Seite 1000 keltische Mönche einfinden, um ihre Landsleute zuunterstützen. Æthelfrid, der Heide, sieht in ihnen keine Heiligen, sondern nur Männer, die sich ihm entgegenstellen, und lässt sie abschlachten.
Vor allem im Norden und Nordwesten schreitet die Christianisierung Britanniens von Irland aus schnell voran. Die intensiven Kontakte zwischen irischen Mönchen, Pikten, Skoten und auch Angelsachsen bleiben nicht ohne Folgen. Die lebendigen Formen der neu konvertierten Sachsen und Angeln, vor allem die stilisierten kraftvollen Darstellungen von Tieren, finden Eingang in die Ornamentik der Kelten. Die zu den schönsten in Irland gefundenen Metallarbeiten zählende »Tara-Brosche« ist ein eindrucksvolles Beispiel für diese neue, hiberno-sächsische Hybridkunst (s. Farbbildteil
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