Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur
darangeht, aus der nominellen Macht eine reale zu machen. Das ist der Punkt, wo die Wikinger wieder ins Spiel kommen, die Brian als Söldner zur Durchsetzung seiner Ziele einsetzt. Doch sie desertieren bei der ersten sich bietenden Gelegenheit und schlagen sich wieder auf die Seite der von Brian unterworfenen Dynastie der Könige von Leinster.
Die Leute von Leinster fassen den Entschluss, Brian zur Entscheidungsschlacht zu stellen. Mit Hilfe der Wikinger, die sogar noch Verstärkung von den westlichen schottischen Inseln und der Isle of Man heranholen, rechnen sie sich gute Chancen auf den Sieg aus.
Am Karfreitag 1014 ist es so weit. Die Schlacht bei Clon Tarbh hat nichts von den keltischen Kampfritualen, von heldenhaften Zweikämpfen, von ehrenvollem Streiten. Es geht nur darum, möglichst viele Krieger zu töten. Und es kommt zu Szenen, die an Grausamkeit ihresgleichen suchen. So wird einem Krieger der Bauch aufgeschlitzt, ihm ein Teil seiner Gedärme herausgezogen und an einem Baum befestigt. Dann wird er gezwungen, so lange um den Baum herumzulaufen, bis ihm seine Eingeweide aus dem Bauch herausgezogen sind.
Es ist ein Krieg zwischen Iren, in dem die Wikinger nur Statisten sind.
Die Dál Cais siegen in diesem Kampf, doch Brian Bóroimhe erlebt den Triumph seiner Dynastie nicht. Er bleibt auf dem Schlachtfeld.
In den Jahren nach Clon Tarbh kommt Irland etwas zur Ruhe. Zumindest, was Angreifer von außen angeht, denn die internen dynastischen Streitigkeiten gehen natürlich weiter. Doch auch die äußere Ruhe hält gerade einmal 150 Jahre.
Frauenraub mit Folgen
Eigentlich ist es ein für keltische Verhältnisse völlig normaler Vorgang: Diarmait Mac Murchada (Dermot Mac Murrough), König von Leinster, stiehlt seinem Nachbarn, Ó Ruairc (O’Rourke) von Bréifne die Frau.
Doch zeigt dieser Frauenraub, dass sich die keltische Gesellschaft in Irland in den vergangenen Jahrhunderten erheblich verändert hat. Früher definierte man sich über Zugehörigkeiten und Klientenschaften. Inzwischen hat jedoch auch der Landbesitz erheblich an Bedeutung gewonnen. Kein Wunder. Die Provinzkönige sind machthungriger denn je und verbringen viel Zeit im Feld. Diese Abwesenheit bedeutet, dass sie einen großen Teil der Administration ihrer Gebiete Verwaltern überlassen müssen. Eine Art »öffentlicher Dienst« entsteht, und der muss ernährt werden. Die Loyalität seiner Anhänger sichert man sich am besten, indem man sie territorial an sich bindet. Also verteilt der König sein Land an die, die ihm nutzen können, die ihm nicht nur das Land bewirtschaften, sondern ihn auch für die Austragung seiner Zwiste mit Kriegern versorgen. Landist Lohn für besondere Verdienste. Und nicht zuletzt braucht ein König auch Ländereien, die er seinen geistigen Führern für die Errichtung von Klöstern zur Verfügung stellen kann, denn ein bekannter Ort des Lernens auf seinem Hoheitsgebiet hebt seinen Status ungemein. Der irische König des 11. Jahrhunderts ist nicht mehr nur oberster Feldherr; er ist Landbesitzer, Gesetzgeber, Steuerbehörde. Und so keltisch er sich im Krieg auch geben mag, in der Verwaltung unterscheidet er sich nicht von einem Feudalherrn auf dem Kontinent oder der normannisch besetzten britischen Hauptinsel.
Der Wandel hat begonnen. Und der Raub der Frau des Ó Ruairc von Bréifne zeigt, wie sehr keltische Gesellschaft und der beginnende Feudalismus miteinander harmonieren. Denn Dearbhfhorgaill – so ihr Name – ist nicht nur Ehefrau, sondern auch und vor allem Prinzessin der Provinz Midhe , die damit an Diarmait Mac Murchada fallen würde.
Doch nun hat dieser nicht nur Ó Ruairc von Bréifne, sondern auch noch den ehrgeizigen Ruaidhri Ó Conchobhair (Rory O Connor), König von Connaught, gegen sich, der die Hochkönigschaft von Irland anstrebt und keinerlei Machtzentren neben sich duldet. Und das demonstriert er entschlossen. Der Schlüssel zur Macht im keltischen Irland liegt in einer Stadt, die unkeltischer kaum sein könnte: das von »Ostmännern« – Wikingern – bewohnte Dublin, formell die Hauptstadt der Provinz Leinster und damit eigentlich innerhalb des Hoheitsgebietes des Diarmait Mac Murchada. Es vereint in einer genialen Kombination einen wohlhabenden Handels- und Kriegerstützpunkt miteinander. Allerdings ist Dublin in jeder Beziehung ein Fremdkörper, denn außer dass seine Bewohner aus Norwegen stammen, gehört es zur Diözese von Canterbury. Das interessiert Ruaidhri Ó Conchobhair jedoch wenig.
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