Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur
beschäftigt hat, doch die Erzählungen des Ossian sind schlichtweg eine Fälschung.
Vielleicht hätte man bereits 1761 auf Horace Walpole, jüngster Sohn des britischen Premierministers Robert Walpole hören sollen, der schon ein Jahr nach der Erstveröffentlichung Zweifel an der Echtheit des Ossian geäußert hatte. Dabei war Walpole nicht einmal Literaturwissenschaftler. Er stellte einfach nur in den Raum, dass er es für unwahrscheinlich halte, dass sechs nahezu komplette Bücher einer einzigen Sage überlebt haben sollen …
Das »keltische Erwachen« ist eine Bewegung der Intellektuellen, der Schöngeister, der Akademiker. Die breite Masse bleibt davon unberührt. Noch nicht einmal die, die das letzte Erbe der Kelten hüten, werden mit einbezogen, denn in den abgelegenen Regionen von Wales, Schottland und Irland gibt es keine Theater. Auch haben die Menschen andere Sorgen als Bücher zu lesen. Es würde wohl auch schon daran scheitern, dass das »keltische Erwachen« in allen möglichen Sprachen Ausdruck findet – nur nicht in den keltischen.
Aber nicht nur Schriftsteller haben zum gesteigerten Interesse an allem Keltischen beigetragen. Die Bretonen hatten sich trotz Einverleibung in den französischen Staat eine gewisse Eigenständigkeit bewahrt. Die Gleichmacherei von Liberté, Fraternité, Egalité der Französischen Revolution zertrampelte ab 1789 alle Wünsche nach einer individuellen Kultur und einer eigenen Sprache. Bretonisch wurde erst nach der Konterrevolution von 1815 wieder akzeptabel – und die Bretonen in den Sog des »keltischen Wiedererwachens« hineingezogen. Um 1845 sah man in ihnen, die so anders waren, sogar das »keltische Urvolk«, eine Gemeinschaft von »Druiden in Verkleidung«; die Bretagne als das letzte beschützte Refugium einer alten keltischen Ordnung. Ab 1889 erhalten die Erzählungen über die Bretonen auch Bilder. Der Maler Paul Gauguin kommt in die Bretagne und zeichnet eine Mischung aus dem, was er sieht und dem, was er sehen will: verklärte Bilder einer Gesellschaft, die es so nicht gibt und die auch nicht keltisch ist, die aber in das Schema der letzten geheimnisvollen Bewahrer der keltischen Kultur passen. Viele folgen ihm, und die alten bretonischen Frauen, die in traditionellen Gewändern religiöse Zeremonien abhalten (von denen keine einzige keltischen Ursprungs ist), geraten auf den Gemälden – und ab Beginn des 20. Jahrhunderts auch auf Postkarten – mehr und mehr zu unnahbaren Engeln, Wesen, nicht von dieser Welt.
Wie weltlich die »Engel« dann aber doch sind, das demonstriert kaum jemand deutlicher als der Vorreiter der verklärten Malerei selbst. Paul Gauguins Schwärmerei für die Bretonen endet auf abrupte Weise – während einer Schlägerei mit einem bretonischen Fischer.
Doch nicht alles, was mit dem »keltischen Wiedererwachen« zusammenhängt, ist auf halb reale Gedankenwelten beschränkt. Denn eines haben Schriftsteller, Maler oder Stückeschreiber erreicht: Die Kelten sind wieder ins Interesse einer breiteren Öffentlichkeit gerückt. Ein wichtiger Aspekt ist, dass einige Wissenschaften das Thema aufgreifen, bevor es in der Bedeutungslosigkeit verschwindet. Die vergleichende Sprachwissenschaft beginnt ab dem 17. Jahrhundert zu einer erwachsenen Disziplin heranzureifen. Sie erkennt die Zusammenhänge der europäischen Sprachen und ihre Abstammung von einem gemeinschaftlichen, ursprünglich einheitlichen Sprachsystem und gliedert sie in Sprachfamilien. Es ist eigentlich erst hier, dass über sprachliche Verwandtschaften festgestellt wird, wer zumindest linguistisch tatsächlich alles dem Begriff »Keltisch« zugeordnet werden kann.
Andere gehen noch einen Schritt weiter. Die bloße Wiederentdeckung der Kelten reicht ihnen nicht. Sie wollen mehr …
Die zu den Göttern sprechen
Sie stehen und starren gebannt durch das Steintor auf den aufrecht stehenden Heel Stone . Der Himmel ist schon hellrot, doch noch scheint die Sonne sich davor zu scheuen, das Unvermeidliche zu tun, auch an diesem Morgen aufzugehen.
Die in der ersten Reihe stehenden, in lange weiße Roben gekleideten Männer heben wie auf ein Kommando die Arme. Die Umstehenden halten den Atem an. Die Trompeter führen ihre Instrumente zum Mund, die Harfenspieler legen die Finger auf die Saiten.
Da!
Die Sonne!
Die Druiden ziehen ihre Kapuzen vom Kopf für das erste Sonnenlicht des Tages nach der Sommersonnenwende. Die Trompeten und Harfen setzen ein, die Menschen stimmen einen
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