Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur
Murmelgesang an.
James atmet tief durch. Etwas Großes ist vollbracht. Er fühlt die Gänsehaut auf seinen Armen und den Schauer, der ihm kalt über den Rücken läuft. Doch das ist nicht die Kälte des Morgens, die spürt er gar nicht. Es ist die Ergriffenheit, die ihn durchdringt, wenn ihm bewusst wird, dass er heute hier ist, dass er teilhaben darf an der Wiedererschaffung von etwas, was schon lange tot geglaubt wurde.
Doch das Wahre stirbt nie.
Hier und heute haben sie den Bund für die Ewigkeit besiegelt.
Mit einer mystischen Zeremonie zelebriert eine Gruppe verschworener Männer am 22. Juni 1781 innerhalb des Steinkreises von Stonhenge die Gründung des »Ancient Order of Druids«.
Genau 204 Jahre lang treffen sich die Angehörigen des Ordens in der Nacht vom 21. auf den 22. Juni in Stonehenge, um – nach ihremVerständnis – keltische Zeremonien abzuhalten. Erst Denkmalschutzregulierungen bereiten den Treffen im Jahre 1985 ein Ende. (s. eine heutige Druiden-Zeremonie im Farbbildteil Abb. 38)
Der »Ancient Order of Druids« ist im Grunde nichts anderes als eine Freimaurerloge: »Freie Männer« (so die Freimaurerterminologie) treffen sich zur Verfolgung ehrenhafter Ziele, wie der Erhaltung von Geschichte und Diensten an der Gesellschaft. Dass man zu dieser Zeit des »keltischen Hypes« die Form der Druidenkaste wählt, entspricht der Mode. Es ist en vogue , sich als verschworener Geheimbund an geheimen Orten in kultiger Kleidung zusammenzufinden, zu debattieren und den Intellekt spielen zu lassen, Riten zu zelebrieren, die wahrscheinlich genauso unkeltisch sind, wie Trinkrituale in Studentenverbindungen. Ein elitärer Kreis, der ebensolche Mitglieder anzieht, wie den zu dieser Zeit noch jungen Winston Churchill.
Darüber hinaus gibt es solche, die im Druidendasein ihre Bestimmung sehen. Am 22. September 1792 erklärt sich ein Mann namens Iolo Morganwg zum walisischen Erzdruiden und beginnt, vor großem Publikum selbst erfundene Riten zu zelebrieren. Damit erreicht er in nur wenigen Jahren eine Popularität, die man durchaus mit der moderner amerikanischer Fernsehprediger vergleichen kann.
Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts ist Keltisch Kult, eine Märchenwelt für Erwachsene, bestehend aus rudimentärem Wissen und jeder Menge Fantasie. Es ist eine elitäre Welt der Intellektuellen, ein Patchwork aus Riten und Ritualen, die aus jeglichem Kontext herausgelöst werden, um in ein neues, selbst erfundenes Gedankenkonstrukt hineinzupassen. Kaum einer der Verfechter dieser neuen keltischen Identität beherrscht jedoch das wichtigste der Instrumente, das notwendig ist, um nicht nur an der Oberfläche zu kratzen, sondern in die Tiefen der an den Rändern Europas immer noch existierenden Kultur einzutauchen. Die Sprache.
Wenn Sprachen sterben
Verbieten, Vergessen, Verdrängen und Verordnen: Sprachen, Politik und heimliche Helden
Seans Arm tut bereits weh, so lange hat er ihn schon in die Luft gereckt. Der Druck in seiner Blase wächst ins Unerträgliche. Jetzt muss ihn der Lehrer doch endlich sehen!
Da! Endlich dreht er sich um! Sean hebt seinen Arm noch ein ganz kleines Stück höher.
Mr Desmond hebt unwillig die Augenbrauen. »John?«
Sean ringt um die Worte, doch seine Qual ist viel zu groß, als dass er sich konzentrieren und nach dem richtigen englischen Satz suchen könnte. » Mas e bhur toil e … «, presst er heraus. »Bitte …«
Mr Desmonds Augenbrauen sinken wieder herab und ohne ein Wort dreht er sich wieder zur Tafel. Sean schießen die Tränen in die Augen. »Bitte…«, flüstert er noch einmal auf Gälisch, doch er weiß, dass es sinnlos ist. Mr Desmond hört seine Sprache nicht. Er will sie nicht hören. Man muss Englisch sprechen. Wer auf Gälisch fragt, wird nicht gehört. Als wäre man nicht da.
Schluchzen schüttelt den Jungen. Einige wenige lachen, als sie sehen, wie sich ein dunkler Fleck auf seiner Hose ausbreitet und der Urin schließlich unten aus dem Hosenbein zu einer Pfütze zusammenfließt. Wieder dreht sich Mr Desmond um, sieht Sean mit finsterem Blick an. »Du kleines Schwein!«, sagt er mit gefährlich leiser Stimme. »Wagst es, mein Klassenzimmer vollzupissen?« Mit zwei schnellen Schritten geht er auf Sean zu, und noch ehe der den Arm heben kann, schlägt er ihn heftig mit dem Handrücken ins Gesicht. Die Worte hat Sean nicht verstanden, den Schlag sehr wohl. Durch den Tränenschleier sieht er, wie Mr Desmond wieder zu seinem Pult geht und den »Schande-Stab«
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