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Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur

Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur

Titel: Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Tod von Daines Barrington aufgezeichnet und somit der Nachwelt überliefert. Das ändert jedoch nichts mehr an der unumstößlichen Tatsache, dass die Sprache der Kernow mit Dolly Pentreath ausgestorben ist.
    Ende des 19. Jahrhunderts wird sie neu erfunden, als eine Synthese aus gesicherten Informationen und Ableitungen aus anderen keltischen Sprachen, vornehmlich dem Walisischen. Anfang des 20. Jahrhunderts kommen zwei weitere – ebenfalls synthetische – Sprachvarianten dazu, was in den 1970er- und 1980er-Jahren zu einem akademischen Krieg der Linguisten führt. Doch das Interesse ist auch in der Bevölkerung nach wie vor vorhanden, es gibt sogar cornisches Kino und ein lokal ausgestrahltes Radioprogramm bei der BBC. Und seit Kernewek im Jahr 2003 von der Europäischen Union offiziell als Minoritätensprache anerkannt ist, stehen sogar finanzielle Mittel zur Verfügung. Allerdings wäre es falsch, sich Illusionen hinzugeben. In Cornwall leben ungefähr 400

000 Menschen. 300 sprechen und verstehen Kernewek , wobei 30 der letzten Muttersprachler nicht in Cornwall, sondern in London leben. In nur zehn Familien verwendet man Kernewek noch als Alltagssprache. Die Zahl derjenigen, die Kernewek quasi als Fremdsprache erlernen, liegt bei etwa 450. Tendenz fallend.
    Frage: Wie geht ein Volk mit einer Minderheitensprache um, das seinen Nationalstolz unter anderem dadurch zelebriert, in dem es Gesetze erlässt, die jegliche Anglizismen in öffentlichen Dokumenten verbieten? Das sich strikt weigert, das üblich Wort »Computer« zu verwenden und stattdessen unbeirrt ordinateur sagt? Was, nebenbei gesagt, ein wenig der Logik entbehrt, da sich das englische»Computer« mit den Normannen und dem altfranzösischen Wort »compter« – »zählen« – in den englischen Sprachwortschatz geschlichen hat.
    Antwort: gar nicht.
    Zugegebenermaßen hat ein Lapsus aus den 30er- und 40er-Jahren des 20. Jahrhunderts auch nicht unbedingt dazu beigetragen, das Verhältnis zwischen Franzosen und Bretonen zu einem freundschaftlichen werden zu lassen. Dass sich in einer Region mit einer eigenen sprachlichen und kulturellen Identität eine nationalistische Bewegung entwickelt, ist dabei ja noch völlig normal; nur ist allein der Begriff »Bewegung« schon falsch, denn es handelte sich eigentlich nur um radikale Einzelgänger aus der intellektuellen Oberschicht. Ihre Forderung: lokale Autonomie. Ihr Vorbild: die von Nazideutschland besetzten französischen Gebiete. Und auch, wenn den Vertretern dieser Politik die Basis fehlte (die eigentliche Bewegung der Kollaborateure umfasste nach neuesten Recherchen wahrscheinlich nicht einmal 100 Personen), so werden die Franzosen bis heute recht wortkarg, wenn aus bretonischer Richtung das Wort »Autonomie« fällt. Nach dem Krieg führt Frankreich insgesamt über 3000 Prozesse gegen Franzosen und Bretonen wegen Kollaboration und Verrat und lässt 129 Menschen hinrichten (Zahlen aus: Marcus Tanner, The Last of the Celts,New Haven, London 2004).
    Von da an gilt Bretonisch als verteufelt und wird auf beiden Seiten mehr oder weniger totgeschwiegen. Eltern hören auf, die Sprache an ihre Kinder weiterzugeben, aus Angst, ihnen die beruflichen Chancen zu verbauen. Französisch ist die Sprache der hippen Stadt, Bretonisch die des rückständigen Landes. Die Kirchen stellen auf Französisch um, um junges Publikum anzuziehen. Erst ab 1999 wird ein Schulbuch zugelassen, das die Einführung des Teilfaches »Bretonische Geschichte« erlaubt. Bis heute ist die bretonische Sprache an Gerichten und in staatlichen Schulen verboten. Wer sich der Sprache widmen will, trifft in erster Linie auf Hindernisse. Das fängt beim Organisatorischen an: Der französische Staatsdienst sieht lediglich einen (!) Beamten zur Bearbeitung sprachlicher Belange fürdie gesamte Bretagne vor. Eine Schule, die Bretonisch als Sprachklasse einführen will, muss gegenüber dem Staat fünf Jahre lang nachweisen, dass sie finanziell unabhängig ohne zusätzliche öffentliche Mittel existieren kann (angesichts der Budgets öffentlicher Schulen generell an sich schon ein aussichtsloses Unterfangen). Die Fördermittel, die dann fließen, bezahlen kaum den Verwaltungsaufwand, den man mit Antragsverfahren und Führung des Verwendungsnachweises produziert.
    Als Privatinitiative entstehen ab 1977 private Schulen, an denen Bretonisch als erste Sprache unterrichtet wird, seit 1988 gibt es sie auch als Mittelschulen und seit 1994 als Gymnasium, alles

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