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Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur

Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur

Titel: Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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bringt ihn einer der Diener ins Lager zurück, während der andere seinen Platz im Kampf – und gegebenenfalls auch auf dem Pferd – einnimmt. Kämpft ein besonders wohlhabender Herr zu Pferde und das Tier wird verwundet oder getötet, dann halten die Begleiter auch schon einmal ein Reservepferd parat. Werden Reiter und Ross getötet, dann wird einer der Bediensteten den Kampf seines Herrn auf dem Reservepferd fortsetzen. In jedem Fall ist also der Kampf des Kriegers erst beendet, wenn auch der letzte seiner Bediensteten besiegt ist. Diesen wiederum kann gar keine größere Ehre widerfahren, als im Kampf für ihren Herrn ihr Leben in dieser Welt zu verlieren.
    Bis sich die Kavallerie ab dem späten 3. vorchristlichen Jahrhundert zur taktisch ausgereiften Waffe keltischer Heere entwickelt, dominiert eine andere, wesentlich repräsentativere Fortbewegungsart keltischer Kriegsherren das Geschehen auf dem Schlachtfeld: der Kampfwagen. Das einachsige, von zwei stämmigen Ponys gezogene, oft reich verzierte Gefährt wird von einem Fahrer gelenkt, während der eigentliche Kämpfer zunächst aus voller Fahrt aus kurzer Distanz Speere gegen den Gegner schleudert. Er wird dann abspringen und den Kampf mit dem Schwert fortsetzen, dessen Scheide innen an der Seitenwand des Kampfwagens befestigt ist. Der Wagenlenker bringt das Gefährt inzwischen in einiger Entfernung in Warteposition, um schnell herbeizueilen und den Krieger wieder aufzunehmen. Dies ist meist dann der Fall, wenn die Lage für ihn bedrohlich wird, er seinen Kampf erfolgreich beendet hat oder an einer anderen Stelle des Schlachtgeschehens benötigt wird. Der unübersehbare Vorteil dieser Waffe ist die Vereinigung der Beweglichkeit einer Reitereinheit mit der Standhaftigkeit von Fußkämpfern (s. ein Kampfwagen im Farbbildteil Abb. 14). In Europa werden Kampfwagen als Waffe im 2. Jahrhundert v. Chr. endgültig von der Reiterei abgelöst, bleiben aber als repräsentatives Transportmittel der Oberschicht erhalten. Auf den Britischen Inseln dagegen müssen sich die römischen Legionen noch im ersten Jahrhundert n. Chr. mit dieser Kampftaktik auseinandersetzen.
    Der den Kelten innewohnende Drang, sich im Kampf in den Augen der anderen hervorzutun, also eher auf das eigene Ansehen im Kampf als auf den Gegner zu achten, zieht sich durch alle Aspekte ihrer Kriegführung. Das fängt im Kleinen an. Aus Historienfilmen über Rom und Griechenland kennen wir das Bild von aufeinanderprallenden, kompakten Heeresmassen, in denen die Männer so eng stehen, dass die Toten kaum umfallen können. Keltische Kampfaufstellungen wirken dagegen eher wie aufgelockerte Versammlungen von Kriegern. Und was auch immer an Struktur in einer Aufstellung vorhanden gewesen sein mag, es verschwindet in dem Augenblick, wenn der Sturm losbricht. Man achtet vor allem darauf, seinem Nachbarn nicht zu nahe zu kommen, denn wie soll man sonst seine Kampfeskünste entfalten – und die anderen dabei zusehen lassen –, wenn man keinen Platz hat?
    Hier liegt auch die Erklärung für die keltische Abneigung gegen Fernwaffen: einen Speer zu werfen, hat im Vergleich zum Schwertkampf nicht wirklich etwas Effektvolles an sich, außer man tut es von einem sich mit hoher Geschwindigkeit bewegenden Kampfwagen aus. Die eher praktisch veranlagten Römer und Griechen nutzen diese Eigenheit später unbarmherzig aus. Mit Speeren, Ballisten und Pfeilen werden die Angriffswellen der Kelten aufgebrochen. Oft müssen die keltischen Krieger im Laufen ihre Schilde wegwerfen, weil diese durch die darin stecken gebliebenen Geschosse zu schwer geworden sind. Und bei den weit ausholenden Bewegungen beim Kampf mit dem Langschwert ist es den Römern ein Leichtes, mit den bei den Legionen üblichen Kurzschwertern die ungeschützten Achselhöhlen oder den Unterleib des Gegners zu treffen.
    Vor allem Pfeile machen den Kelten psychologisch arg zu schaffen. In ihren Köpfen existiert eine einfache Kausalität: nur große Wunden sind gefährlich. Umso irritierender ist es für sie, von Pfeilen getroffen zu werden, die relativ kleine Wunden verursachen, ihnen jedoch spürbar die Kraft nehmen oder sie sogar töten. Man liest in Berichten von keltischen Kriegern, die von Pfeilen getroffen wurden, und sich verzweifelt weinend auf den Boden warfen und laut klagend herumwälzten, weil sie es für unwürdig hielten, von so einer kleinen Verletzung niedergestreckt worden zu sein.
    Eine besondere Form des keltischen Individualismus im Kampf

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