Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur
Konfliktpotenzial genug, verbündet sich Eumenes von Pergamon mit einer Macht, die wie Antiochos III. im Begriff ist, ein Weltreich zu erschaffen: Rom.
Ein neuer Mitspieler am kleinasiatischen Tisch
Dieser Schulterschluss verändert das Machtgefüge in Kleinasien nachhaltig. Antiochios von Syrien wird 191 v. Chr. in Griechenland von einem vereinten griechischen und römischen Heer geschlagen und flieht zurück nach Kleinasien. Er kommt nicht allein. Ihm dicht auf den Fersen folgen die römischen Legionen unter Konsul Lucius Cornelius Scipio.
Die Tolistobogier unter ihrem König Ortiagon zögern keinen Augenblick. Als die Römer und ihre pergamenischen Verbündeten das syrische Heer beim Berge Syplos in der Nähe von Pergamon einholen und zum Kampf stellen, kann Antiochos in seinen Reihen ein großes Kontingent tolistobogischer Krieger zählen.
Doch auch deren Unterstützung kann die Pläne des Antiochos nicht mehr retten. Das syrische Heer wird geschlagen, Antiochos zieht sich in das Kernland seines Reiches jenseits des Tauros-Gebirges zurück.
Das Verhalten der Römer erscheint den Galatern jedoch seltsam. Einerseits proklamieren sie unmittelbar nach ihrem Sieg, dass sie die Regierung über die erstrittenen Gebiete an Eumenes II. von Pergamon übergeben haben. Andererseits jedoch machen die Römer keinerlei Anstalten, nach der offiziellen Machtübergabe wieder abzuziehen. Die Galater schieben es zunächst noch auf das Ende der Feldzugsaison und das Eintreten der Herbststürme, die eine Rückfahrt über den Seeweg unmöglich machen. Aber im Frühjahr des Jahres 190 v. Chr. zeigt ihnen die Ankunft eines neuen Oberfeldherrn, dass die Römer nicht nur deshalb noch in ihrem Winterlager in Ephesos stehen, weil sie Angst vor Seekrankheit haben. Und es dauert auch nicht lange, bis sie erfahren, dass Konsul Lucius Manlius Vulso vor seinen versammelten Legionen den Krieg gegen die Galater erklärt hat. Der Sieg gegen Antiochos wäre nicht vollständig ohne die Zerschlagung seiner galatischen Verbündeten, die er in derselben Rede seinen Soldaten als vom guten Leben verweichlichtes, schwächliches Völkchen beschreibt.
Über 80 Jahre hinweg waren sie bei ihren Nachbarn einheitlich »die Galater« gewesen. Vermutlich war es den Bewohnern Kleinasiens auch egal, ob sie ihr »Friedensgeld« – oder bei Bedarf auch Sold – an Trocmer, Tolistobogier oder Tectosagier bezahlten. Die Stämme selbst jedoch haben während ihrer gesamten kleinasiatischen Besiedlungsgeschichte peinlich genau darauf geachtet, ihre jeweilige Stammesidentität zu erhalten. Nie hat es einen triftigen Grund gegeben, die Stammesgrenzen aufzuheben. Diesen triftigen Grund erhalten sie jetzt in der Gestalt eines Gegners, der ebenfalls keinen Unterschied in der Stammeszugehörigkeit macht und sie in ihrer Gesamtheit bedroht.
Aber noch etwas ist notwendig: ein starker Mann, der die Herrscher aller Stämme allein durch sein Charisma dazu bringt, ihren eigenen Führungsanspruch zurückzustellen, und einem einzelnen Mann eine Autorität zu verleihen, die ihre eigene übersteigt.
Einen solchen Mann finden die kleinasiatischen Kelten in Ortiagon, dem Herrscher der Tolistobogier. Er ist ein Mann von so ungeheuerer Ausstrahlung, dass es selbst nach der Niederlage der Tolistobogier gegen das pergamenisch-römische Heer im Jahr zuvor bei keinem der anderen Stammesherrscher einen Hauch des Zweifels darüber gibt, dass nur Ortiagon die vereinten Galater gegen die Römer führen kann.
Diese spielen derweil ein seltsames Spiel. Anstatt wie erklärt gegen die Kelten zu Felde zu ziehen, wenden sich die Legionen des Lucius Manlius Vulso und seine pergamenischen Hilfstruppen zunächst gen Süden, gerade so, als ob sie über den Tauros gegen Syrien ziehen wollten. Kurz davor wechseln sie die Marschrichtung und bewegen sich scheinbar völlig planlos durch Südphrygien.
Dann plötzlich ist das Versteckspiel vorbei – zu überraschend für die Galater. Sie haben keine Chance, ein vereintes Heer aufzustellen, als die Legionen unvermittelt einen Schlenker machen und in einem Gewaltmarsch auf die Hügelfestung der Tolistobogier auf dem Berg Olympus zustürmen. Ortiagon schafft es dort nicht, einen wirksamen Widerstand aufzubauen und erleidet schwere Verluste. Mit den Resten seiner Streitmacht und unter Zurücklassung der Verwundeten, der Alten, der Kinder und der Frauen (seine eigene, Chiomara, eingeschlossen), rettet er sich nach Osten zu den Tectosagiern.
Dort, am Berg
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