Herrscher der Eisenzeit
vorzuziehen. Sie haben nicht vor abzuwarten, wie sich die zukünftige Nachbarschaft mit Letzteren noch entwickelt, denn der Exodus von der Britischen Insel ist bereits um 450 n. Chr. weitestgehend abgeschlossen. Ihr Hauptsiedlungsgebiet ist dabei Armorica, welches bald »Klein Britannien« heißt und der Region damit ihren heutigen Namen – die Bretagne – gibt. Es unterteilt sich in drei große Königreiche: Bro E rech (das Gebiet der unter Caesar ausgerotteten Venetii), Domnonia , eng verbunden mit Dumnonia in Südwestbritannien und schließlich Cornouaille , welches eine ähnlich enge Verbindung zu Cornwall aufweist. Die Sprache der Bretagne ist folgerichtig die alte Sprache der Kelten auf der britischen Hauptinsel, Brythonisch, dem Altwalisischen sehr ähnlich.
Als Fremde im ehemaligen Gallien, umgeben von schwer einschätzbaren Kräften und Faktoren, entwickeln die Bretonen bald eine ausgeprägte Renitenz und Aggressivität, die man schon fast mit einer Insulanermentalität gleichsetzen kann. Ihr ständiger Überlebenskampf bleibt nicht ohne Erfolge. Die Franken müssen 567 vertraglich eingestehen, dass die Bretagne ein vom Frankenreich unabhängiger Staat ist, auch die später folgenden Merowinger scheitern an der Hartnäckigkeit der Küstenbewohner. Erst Mitte des 9. Jahrhunderts werden die Bretonen erstmals unterworfen und zu einem einzigen großen Königreich zusammengefasst. 1488 verlieren sie ihre Unabhängigkeit, behalten aber auch nach der Zwangsvereinigung mit Frankreich 1532 einen gewissen autonomen Status innerhalb des französischen Staates. Sie pflegen keltische Traditionen weiter, und ihr Unwille, sich französischen Gepflogenheiten unterzuordnen, ist nicht dazu geeignet, sich innerhalb der nach der Französischen Revolution entwickelnden Wertgefüge und Denkweisen übermäßig beliebt zu machen, ein Konflikt, der bis heute andauert.
Die neuen Herren
Machtspiele und Fehleinschätzungen
Aaaaah! Aaaaaah …! « Unaufhörlich schreit der kleine Junge, während er barfuß mit wehendem Leinenkittelchen auf das Gehöft zurennt. Keine Worte, nur dieses »Aaaaaah!«, das einen Schrecken ausdrückt, den ein Kind zwar spürt, für den es aber keine Worte hat.
»Aaaaah!« Doch nun mischt sich ein anderer Ton in das Kindergeschrei; ein unartikuliertes Gebrüll aus rauen Männerkehlen.
Cyndra, die Mutter des Jungen, kommt aus dem großen Wohnhaus gestürzt. Hinter sich hört sie die schweren Schritte ihrer beiden Brüder, hört das Klappern der Schwertscheiden, die achtlos zur Seite fliegen.
Dann sieht sie die Männer, und sie weiß, dass ihnen ein letzter, verzweifelter und aussichtsloser Kampf bevorsteht. Sie nun endlich auch. So viele ihrer Bekannten sind den Überfällen schon zum Opfer gefallen, so viele Gehöfte in Flammen aufgegangen. Wenn sie doch nur die heiligen Orte verschont hätten! Doch diese Heiden hatten keinen Respekt vor Gott. Alles haben sie mitgenommen! Und was sie nicht tragen oder vor sich her treiben konnten, hatten sie niedergebrannt. Aus dem Norden hatten sie sogar schon gehört, dass die fremden Männer nach den Plünderungen gar nicht wieder abgezogen sind, dass sie angefangen haben, neue Häuser zu bauen.
Cyndra bleibt stehen. Die Fremden sind jetzt schon so nahe, dass sie die buschigen Augenbrauen unter den eisernen Helmen erkennen kann. Und die langen, zotteligen Bärte, die die grimmigen Gesichter noch furchterregender erscheinen lassen. Viel schlimmer jedoch sind ihre Waffen, die riesigen, groben Schwerter, die sie in den Händen halten, und die schweren runden Schilde. Einige sind beritten, und fast alle tragen Kettenhemden.
Nur ein Heer könnte ihnen widerstehen.
Cyndra hat kein Heer. Sie hat nur noch ihre Brüder Cardw und Dwydd, und ihren Sohn Bordw. Ihr Mann ist umgekommen, als er versucht hat, das Gehöft seines Bruders gegen die fremden Räuber zu verteidigen. Seitdem haben sie gewartet und gebangt, immer in der Hoffnung, sie würden ausgerechnet ihr Gehöft verschonen.
Eine unsinnige Hoffnung.
Ihre Brüder laufen an ihr vorbei. Jetzt erst kann sie schreien.
»Lasst sie, bleibt stehen!«
Die beiden Männer verharren einen Augenblick in ihrem Lauf. Cyndra holt tief Atem. »Lasst sie! Holt Bordw, und dann laufen wir weg!«
»Weglaufen? Und alles verlieren? Kampflos?«
»Sie sind zu viele! Wir werden alle sterben!« Sie merkt, wie Tränen ihren Blick verschleiern.
Cardw und Dwydd werfen ihr einen Blick zu, den sie festhält.
Das ist der
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