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Herrscher der Eisenzeit

Herrscher der Eisenzeit

Titel: Herrscher der Eisenzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Hauptmann
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oder deren Leiber aufgeschlitzt sind, liegen tot in den Straßen. Das Schreien und Stöhnen von Sterbenden erfüllt die Luft. Niemand würde glauben, dass das noch vor Kurzem eine blühende, in ihrem Inneren weitestgehend friedliche römische Provinz gewesen ist.
    Der römische Überbau ist weg. Übrig bleiben kleine, aber sehr effektive lokale Administrationen, die auf frappierende Weise denen gleichen, die die Römer bei ihrer Ankunft vor über 360 Jahren vorgefunden haben. Träger dieser neuen Ordnung sind die Angehörigen der britannischen Landaristokratie. Diese profitieren massiv vom Wegfall der römischen Verwaltung einfach nur dadurch, dass sie nun keine Abgaben zu deren Unterhalt mehr leisten müssen. Britannien regiert sich in kürzester Zeit selbst, jedoch nicht an einer zentralen Führungsstruktur ausgerichtet. »Lokale Unabhängigkeit« heißt das Zauberwort.
    Es ist keine stadtbasierte Gemeinschaft mehr. Es ist niemand mehr da, der für die Erhaltung der Gebäude und der nun nutzlosen öffentlichen Einrichtungen bezahlt. Die römischen Bauwerke verfallen. Das Leben zieht sich endgültig zurück auf das Land, in kleine Dörfer und befestigte Siedlungen.
    Und was wird in dieser Übergangszeit aus den römischen Militärverwaltungen? Sie sind vollgestopft mit Karriere Suchenden und solchen, die sich als die für die Versorgung der Legionen Verantwortlichen einen netten denarius nebenher verdienen konnten. Entlohnt wurden sie wie jeder römische Beamte aus dem römischen Staatssäckel.
    Jetzt zahlt niemand mehr Steuern, abgesehen davon, dass auch keiner mehr da ist, der sie eintreibt. Somit gibt es auch keinen römischen Staatssäckel für öffentliche Ausgaben der Provinz Britannia mehr. Und ohne Legionen fallen auch die Nebeneinnahmen weg.
    Der römische Militärapparat tut das, was man von einem Beamtenapparat in dieser Situation erwarten würde: Er löst sich innerhalb weniger Monate auf. Was noch an Streitkräften vorhanden war, desertiert.
    Der Wegfall der römischen Zivil- und Militärverwaltung hat gravierende Folgen für die Wirtschaft der ehemaligen Provinz. Das Ganze ist eine Kettenreaktion. Die Geldwirtschaft war eine an rein römische Institutionen gebundene Angelegenheit. Es hat bislang auch nur einen Zweck gegeben, für den Münzgeld in entsprechenden Quantitäten von außen nach Britannien gelangt ist: für die Entlohnung der Legionen und Beamten. Jetzt ist dieser Zweck abgeschafft. Außerdem hat die Krise des Römischen Reiches dafür gesorgt, dass der Nennwert der in Britannien kursierenden Münzen ihren Materialwert schon Jahre zuvor erheblich überstieg. Als universelles Tauschmittel sind sie somit wertlos. Niemand akzeptiert Geld mehr als Zahlungsmittel. Wer weiß schon, wie viel der denarius , mit dem ich früh das Haus verlasse, noch wert ist, wenn ich den Markt erreiche? Was dagegen jeder weiß ist, wie lange er von einem Schwein oder einem Sack Getreide leben kann (an dieser Stelle: selbst die Legionen wurden wegen der hohen Inflation in der letzten Phase bereits zum Teil in Naturalien entlohnt). In kürzester Zeit fällt Britannien wieder auf das alte System der Natural- und Tauschwirtschaft zurück.
    Das ist gleichzeitig der Todesstoß für all diejenigen, die gewohnheitsgemäß riesige Mengen an Gütern »auf Halde« produziert haben. Die für den Militärbedarf, die groß angelegte Bauwirtschaft oder den Fernhandel errichteten Betriebe sind völlig überdimensioniert für den Bedarf, der jetzt noch besteht. Außerdem konterkarieren sie mit ihrer großflächigen Verteilungsstruktur das System der lokalen Unabhängigkeit. Viele dieser Betriebe schließen, einige wenige existieren auf dem Niveau kleiner lokaler Handwerksbetriebe weiter.
    Ist Rom je wirklich in Britannien gewesen? Die Frage scheint berechtigt. Im schottischen Hochland und Cornwall hat es nie Fuß fassen können. Generell hat es sich schwergetan mit Gebieten, die landwirtschaftlich unterentwickelt waren und Legionen und Beamtenapparat nicht ernähren konnten. Den Südosten mit seiner ausgeprägten Landwirtschaft unterwarf Rom in nur drei Jahren. Für Wales und das Gebiet der Brigantes brauchte es 25 Jahre.
    In nur wenigen Jahren verschwindet all das, was Rom 360 Jahre lang in Britannien ausgemacht hat: Eine starke Militärpräsenz, römische Verwaltungsstrukturen, römischer Lifestyle und ein auf Geldwirtschaft basierendes Wirtschaftssystem. Was danach kommt, organisiert sich dezentral nach alten Mustern und

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