Herrscher des Lichts - Sanderson, B: Herrscher des Lichts - The Hero of Ages, Mistborn 3
Drücken gab es ein Ziehen. Jede Ursache hatte eine Wirkung.
Also musste sie herausfinden, welchen Gesetzen das Ding unterlag, gegen das sie kämpfte. Das würde ihr verraten, wie es zu besiegen war.
»Vin?«, fragte Elant und betrachtete eingehend ihr Gesicht.
Vin wandte den Blick ab. »Es ist nichts, Elant. Zumindest nichts, worüber ich sprechen kann.«
Er sah sie noch eine Weile an. Er glaubt, du schmiedest Pläne gegen ihn, flüsterte Reen in ihrem Hinterkopf. Zum Glück waren die Tage, in denen sie auf Reens Stimme gehört hatte, längst vorbei. Als sie Elant beobachtete, bemerkte sie, wie er langsam nickte; also nahm er ihre Erklärung an. Er wandte sich wieder seinen eigenen Gedanken zu.
Vin stand auf, ging zu ihm nach vorn und legte ihm eine Hand auf den Arm. Seufzend hob er den Arm, umschlang ihre Schulter und zog Vin an sich heran. Dieser Arm, der früher einmal der schwache Arm eines Gelehrten gewesen war, war nun stark und muskulös.
»Woran denkst du gerade?«, fragte Vin.
»Du weißt schon«, antwortete Elant.
»Es war notwendig, Elant. Die Soldaten wären irgendwann unweigerlich dem Nebel ausgesetzt worden.«
»Ja«, stimmte Elant ihr zu. »Aber da ist noch etwas, Vin. Ich fürchte, ich werde wie er.«
»Wie wer?«
»Wie der Oberste Herrscher.«
Vin schnaubte leise und zog ihn enger an sich heran.
»Er hätte genauso gehandelt«, fuhr Elant fort. »Er hätte seine Männer ebenfalls wegen eines taktischen Vorteils geopfert.«
»Du hast es Hamm doch erklärt«, sagte Vin. »Wir können es uns nicht leisten, Zeit zu vergeuden.«
»Es ist trotzdem rücksichtslos«, sagte Elant. »Es geht nicht nur um den Tod dieser Männer, sondern auch darum, dass ich ohne weiteres damit einverstanden war. Ich fühle mich so … brutal, Vin. Wie weit werde ich gehen, um meine Ziele zu erreichen? Ich marschiere auf das Königreich eines anderen Mannes zu und will es ihm wegnehmen.«
»Um des größeren Ganzen willen.«
»Das ist schon immer die Ausrede aller Tyrannen gewesen. Ich weiß es. Dennoch mache ich weiter. Das ist der Grund, warum ich kein Herrscher sein wollte. Deshalb habe ich es zugelassen, dass Penrod mir während der Belagerung den Thron weggenommen hat. Ich wollte kein Anführer sein, der so etwas wie das hier tun muss. Ich will beschützen und nicht belagern und töten! Aber gibt es einen anderen Weg? Es hat den Anschein, dass alles, was ich tue, getan werden muss: meine eigenen Männer dem Nebel aussetzen, oder auf Fadrex zumarschieren. Wir müssen zu dieser Vorratshöhle gelangen. Es ist die einzige Möglichkeit, einen Hinweis darauf zu bekommen, was wir tun sollen! Es ergibt alles einen Sinn. Einen rücksichtslosen, brutalen Sinn.«
Rücksichtslosigkeit ist das praktischste aller Gefühle, flüsterte Reens Stimme. Vin beachtete sie nicht. »Du hast Cett zu oft zugehört.«
»Vielleicht«, meinte Elant. »Aber er vertritt eine Logik, die ich nicht einfach abtun kann. Ich bin als Idealist aufgewachsen, Vin – wir beide wissen, dass das stimmt. Cett sorgt für eine Art von Gleichgewicht. Das, was er sagt, hat große Ähnlichkeit mit dem, was Tindwyl immer gesagt hat.«
Er verstummte und schüttelte den Kopf. »Vor kurzer Zeit habe ich mit Cett über das allomantische Schnappen gesprochen. Weißt du, was die Adelshäuser getan haben, um herauszufinden, ob sich Allomanten unter ihren Kindern befanden?«
»Sie haben sie verprügeln lassen«, flüsterte Vin. Die allomantischen Kräfte eines Menschen waren so lange nur unterschwellig vorhanden, bis ein schreckliches Erlebnis sie ans Tageslicht brachte. Die Person musste an den Rand des Todes gebracht werden und überleben – erst dann erwachten ihre Kräfte. Dieses Ereignis wurde »Schnappen« genannt.
Elant nickte. »Das war eines der großen, schmutzigen Geheimnisse des sogenannten Adelslebens. Oft haben Familien ihre Kinder bei diesen Prügeleien verloren, denn sie mussten ungeheuer grausam sein, damit sie die allomantischen Fähigkeiten hervorriefen. Es war bei jedem Haus anders, aber für gewöhnlich wurde ein bestimmtes Alter weit vor dem Eintritt in das Erwachsensein festgelegt. Wenn der Junge oder das Mädchen dieses Alter erreicht hatte, wurde er oder sie so lange geschlagen, bis Lebensgefahr bestand.«
Vin erzitterte leicht.
»Ich erinnere mich noch lebhaft an meine Prügel«, sagte Elant. »Vater hat mich nicht selbst geschlagen, aber er hat zugesehen. Das Traurigste an diesen Prügeleien war der Umstand, dass die meisten
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