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Herrscher

Herrscher

Titel: Herrscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howell Morgan
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sodass sie sich gegenseitig wärmen mussten. Es hatte den Anschein, dass die Mehrzahl schlummerte.
    Aus einer Traube von Leibern erhob sich Nir-yat und lief
herbei, um Dar zu umarmen. »Schwester, du bist wieder da! Vor lauter Glück birst mir der Brustkorb.«
    Dar drückte Nir-yat an sich. »Unser Sitz ist zerstört, dort werden sich keine Washavoki einnisten.«
    »Ist der Pass blockiert?«
    »Ich weiß nicht«, erwiderte Dar. »Wie ist euer Marsch verlaufen?«
    »Schwierig. Meera-yat ist zu Muth’la gegangen.«
    Dank des Fathmas verfügte Dar über die Erinnerungen der Schwester Meera-yats. Infolgedessen erinnerte sie sich an Meera-yat nicht nur als an eine blinde und fast taube Greisin, sondern auch als lebensfrohe und geliebte Schwester. Umso mehr erfüllte die Nachricht ihres Todes Dars Herz mit Kummer. »Auch ich habe eine traurige Neuigkeit«, sagte sie. »Zwei Urkzimmuthi haben bei der Flucht aus unserer Feste den Tod gefunden.«
    »So fängt es an«, äußerte Nir-yat. »Es erinnert an den Rückzug unserer Vormütter in die Blath Urkmuthi.«
    »Hai. Ich befürchte, es werden Tage kommen, an denen wir die heutigen Verluste als gering empfinden.«
    Nir-yat nickte, dann maß sie Dedrik mit einem bedrohlichen Blick. »Was macht es hier?«
    »Wir benötigen Erkenntnisse über den Feind. Er wird uns dazu verhelfen.« Dar wandte sich in der Menschensprache an den Gefangenen. »Dedrik, wann hast du das letzte Mal etwas gegessen?«
    »Vorgestern Abend, Majestät.«
    Die Auskunft freute Dar, weil sie den Rückschluss zog, dass die einfachen Soldaten, wenn schon die Offiziere hungerten, noch ärger litten. »Jemand soll diesem Washavoki Wurzeln zu essen geben«, sagte sie auf Orkisch zu Nir-yat. »Aber nicht zu viele.«

    »Ich kümmere mich darum, Schwester. Geselle dich zu uns und ruhe aus. Dir ist die Erschöpfung anzusehen.« Bei diesen Worten teilte sich die ihr am nächsten gelagerte Gruppe von Müttern und bot Dar einen warmen Platz in ihrer Mitte an. Dar sah, dass man den Untergrund vom Schnee befreit und die gefrorene Erde mit Immergrünzweigen bedeckt hatte. Sie ging hin und setzte sich, und die Mütter rückten rings um sie wieder zusammen. In ihrer behaglichen, sicheren Nähe schlummerte sie rasch ein.
     
    Dar erwachte erst am Spätnachmittag. Die Mütter verspürten Furcht, ihre verkrampften Leiber teilten es so deutlich mit wie Worte. Niemand sprach, und Dar gelangte zu der Auffassung, dass Gefahr nahte. Sie spitzte die Ohren und hörte nach einem Weilchen fernes Geschrei. Menschliche Stimmen stießen es aus. Sie hatte diese Mischung aus Wut, Qual und Entsetzen schon früher hören müssen. Das Klirren von Metall auf Metall begleitete das Gebrüll. Ein Gefecht fand statt.
    Gleichzeitig mit dieser schrecklichen Einsicht sah Dar etwas anderes ein: Dass sie nichts tun durfte. Sie wusste nicht, wie der Kampf verlief, und sie konnte es nicht in Erfahrung bringen, ohne Unheil anzulocken. Sie musste hoffen, dass die Söhne siegten. Falls nicht, war es für die Mütter und ihre Kinder, wollten sie überleben, am klügsten, Reglosigkeit und Schweigen zu bewahren. Wir gleichen Rehkitzen unter Wölfen. Unsere einzige Hoffnung besteht darin, übersehen zu werden. Dar richtete sich auf; sofort fand sie allgemeine Beachtung. Sie machte die Zeichen für »Seid still« und »Nicht bewegen«; dann setzte sie sich wieder.
    Das Warten war eine Tortur. Der Kampflärm blieb fern und verklang endlich, doch blieb unklar, wer das Gefecht gewonnen
hatte. Es kann sein, dass schon Söldner nach uns suchen, dachte sie. Wenn sie uns finden, müssen wir uns mit bloßen Händen gegen Schwerter und Äxte wehren.
    Nach einem langen Schweigen äußerster Angespanntheit spürte sie, dass die Mütter sich schreckhaft regten und zu einer bestimmten Seite drehten. Weil sie wusste, dass sie etwas hörten, dass sie nicht hören konnte, lenkte Dar den Blick in dieselbe Richtung, in den verschneiten Wald.
    Zunächst sah sie nichts. Dann trat ein Mensch in ihr Blickfeld. Er lief und hielt ein blutiges Schwert in der Hand. Dars Mut schwand, aber bevor sie den Orks befehlen konnte, das Weite zu suchen, rief der Mensch ihnen etwas zu. »Math tut guth!« Wir haben sie erschlagen! Da erkannte sie Sevren.
    Kovok-mah und mehrere andere Söhne folgten ihm. Im Gegensatz zu Sevren schritten sie ruhig aus, und Dar spürte, dass sie keinen Triumph empfanden. Sie verließ den Kreis der zusammengekauerten Mütter und ging Kovok-mah entgegen. Sie wäre lieber

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